Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist nach Ansicht von Experten nicht nur eine Aufgabe der staatlichen Strafverfolger, sondern der ganzen Gesellschaft.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Die Mafia ist kein Problem der Polizei, es ist ein Problem der ganzen Gesellschaft.“ Franco La Torre lässt keine Ausreden gelten, kein Wegschauen. Bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität sei jeder einzelne gefordert, sagt das Präsidiumsmitglied von Libera, einer italienischen Organisation, die sich seit zwei Jahrzehnten der Bekämpfung der Mafia verschrieben hat. Für ihn sind das keine bloßen Worte, sein eigenes Leben ist auf dramatische Weise mit der Mafia verknüpft: 1982 wurde sein Vater Pio, der damals als Politiker auf Sizilien gegen die Organisation kämpfte, auf offener Straße kaltblütig ermordet.

 

Franco La Torre war der richtige Mann, um dem Publikum am Dienstag in der Stuttgarter Bibliothek tiefe Einblicke in die Machenschaften der wohl berühmtesten und berüchtigtsten kriminellen Vereinigung der Welt zu geben. Doch schon der Titel der Veranstaltung wies darauf hin, dass es sich nicht um das Problem eines einzelnen Landes handelt: Mafia in Italien, Mafia in Deutschland – Was tun?

Kriminelle Gruppen aus aller Welt agieren in Deutschland

„Die transnationale Kriminalität ist das klassische Pendant zur Globalisierung der Wirtschaft“, erklärte Bernd Finger, ehemaliger Kriminalbeamter und Mafia-Experte aus Berlin. Dabei sei die Mafia nur ein Teil von vielen Banden und kriminellen Gruppen aus aller Welt, die längst in Deutschland Fuß gefasst hätten. Finger warnte allerdings, es sich leicht zu machen und das Phänomen der organisierten Kriminalität auf „ausländische Gruppen“ abzuwälzen. Die meisten Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität würden in Deutschland noch immer von Deutschen verübt.

Finger unterstützte seinen italienischen Vorredner in der Ansicht, dass die Gesellschaft wesentlich dafür verantwortlich sei, ob die Kriminellen Fuß fassen können. „Entscheidend ist die Haltung der Menschen zu Recht und Unrecht“, sagte Finger. Wo kein Unrechtsbewusstsein herrsche, hätten Verbrecher leichte Hand.

Ist eine Beweislastumkehr sinnvoll?

Rainer Pörtner, Politikchef der Stuttgarter Zeitung und Moderator des Abends, sagte, dass Angst und Schweigen den Nährboden bildeten, auf dem organisierte Kriminalität gedeihe. Franco La Torre gab im Recht. Das Problem in den 70er Jahren in Italien sei gewesen, dass nicht offen über die verbrecherischen Machenschaften der Mafia und deren enge Verflechtungen mit Politik und Wirtschaft geredet worden sei.

Mit einigem Neid blicken die deutschen Ermittler inzwischen nach Italien, wo die Bekämpfung der organisierten Kriminalität seit einigen Jahren mit großer Härte geführt wird. So bemängelte Sigurd Jäger, Leiter der Inspektion Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt in Stuttgart, dass seine Kollegen in Italien wesentlich bessere Zugriffsmöglichkeiten hätten. So könne in Italien ein Vermögen beschlagnahmt werden, allein wenn der Verdacht bestehe, dass es auf kriminelle Weise angehäuft wurde. Der Besitzer müsse dann beweisen, dass das Geld „sauber“ sei. Diese sogenannte Beweislastumkehr sollte in Deutschland auch konsequent eingeführt werden, fordert Jäger. Dann wäre die Jagd auf die Mafia wesentlich einfacher.

(Die Veranstaltung wurde organisiert vom Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Stuttgart, dem Regierungspräsidium Stuttgart, der Stadtbibliothek Stuttgart, der Stuttgarter-Dante Gesellschaft und dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg.)