An der geplanten Busspur in der Stuttgarter Wagenburgstraße scheiden sich die Geister. Im Laboratorium kamen nun alle Positionen zur Geltung.

S-Ost - Wer sollte schon dagegen sein, dass die rund 5500 Menschen, die in S-Ost tagtäglich die Buslinie 40 nutzen, schneller vorankommen! Denn derzeit hat die Linie in den Hauptverkehrszeiten staubedingt allein auf dem Weg zum Bahnhof bis zu zehn Minuten Verspätung. An dieser Front sollte nach dem Willen de Stadt Entspannung einkehren durch die Einrichtung einer Busspur von der Wagenburgstraße Richtung Wagenburgtunnel. In einer späteren Phase auch im Gegenverkehr und mit Weiterungen darüber hinaus. „Umweltspur“ sollte die Sache heißen, weil die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs auch im Rahmen von Maßnahmen zur Luftreinhaltung erfolgen soll.

 

Der Aufschrei dagegen erfolgte, als bekannt wurde, dass für diese „Umweltspur“ insgesamt 85 Parkplätze im Osten verloren gehen würden. Nicht zuletzt die SPD-Fraktion hatte sich im Gemeinderat dagegen gestemmt, wie nun deren Vorsitzender Martin Körner bei der Info-Veranstaltung „Stellplätze für Autos und Busspuren in der Wagenburgstraße“ sagte, zu der die Orts-SPD geladen hatte. So betonte er: „Wir wollen keine Stimmung machen, sondern Lösungen finden. Die Busspur wäre gut. Aber nur, wenn es eine halbwegs akzeptable Lösung für das Parkplatz-Problem gibt.“

Enormer Parkdruck

Wie stark der Parkdruck im Quartier faktisch ist, zeigte sich, als Rainer Wallisch vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung in Zusammenhang mit der Vorstellung des ab Dezember geplanten Parkraum-Managements Zahlen vorlegte. So hatten Erhebungen in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr im Stadtbezirk „eine Parkauslastung von 130 Prozent“ ergeben. In der Wagenburgstraße etwa wurden bis zu 150 abgestellte Fahrzeuge gezählt, bei 85 legalen Parkplätzen. Thomas Rudolf folgerte daraus: „Es geht bei diesen Zahlen nicht um Pendler, die tagsüber kostenlos hier parken. Es sind die Bewohner, die die Parkplätze brauchen.“ Er fügte hinzu: „Auch Gewerbetreibende brauchen Parkplätze. Wenn man die streicht, vernichtet man Existenzen.“

Im voll besetzten Saal wurden dann auch gleich die polaren Positionen formuliert: „Ich brauche mein Auto, ich muss falsch parken. Manchmal gehe ich nachts raus und schaue, ob das Auto noch da ist,“ erklärte ein Teilnehmer. Dem hielt ein anderer entgegen: „Es gibt kein Recht auf einen Parkplatz vor der Haustüre. Es führt kein Weg daran vorbei, dass einige Leute auf ihr Auto verzichten.“ Konkret beschrieb eine Frau, wie sie zum Erreichen ihres auswärtigen Arbeitsplatzes aufs Auto angewiesen ist. Eine andere Frau meinte: „Was ist schlimm daran, wenn der Bus ein paar Minuten länger braucht? Ich weiß das und stehe zehn Minuten früher auf.“

Wie neue Parkplätze geschaffen werden könnten, glaubte ein anderer Beitrag zu wissen: „Wenn die Stadt akzeptiert, dass Grünflächen verrotten und zu Hundetoiletten verkommen, kann man daraus auch Parkplätze machen.“ Augenwischerei nannte jemand die Busspur: „Sie führt nur dazu, dass man ein paar Minuten früher im Wagenburgtunnel im Stau steht. Dieser Flaschenhals ist das Problem.“ Dies wurde mehrfach bekräftigt, verbunden mit der Forderung nach „der zweiten Röhre“.

Komplizierte Sache

Als ein Paar zum wiederholten Male seinen Autoverzicht als Beispiel pries, stand ein Mann auf und fragte: „Ich arbeite bei einem großen Zulieferer. Was machen meine Kollegen und ich, wenn Sie die Autos abschaffen?“ Mustergültig und im Grunde demokratie-relevant, wie zivil hier die unterschiedlichsten Auffassungen präsentiert und wechselweise aufgenommen wurden. So wurde deutlich, wie kompliziert die Sache ist – und auch, dass bei den Verteidigern von Parkraum hier nicht Autofetischisten ihr Steckenpferd pflegten, sondern Anwohner um Lösungen für den Alltag ringen.

Dabei scheint jeder einzelne Platz zu zählen, worauf auch Anette Battenberg, die Leiterin des sozio-kulturellen Zentrums, hinwies: „Wenn die Parkplätze hier wegfallen, weiß ich nicht, wo Musiker ihr Equipment ausladen sollen.“ Als Lösungsansätze ins Spiel gebracht wurden etwa die nachts leerstehende Tiefgarage von Rewe, die wenig genutzte Fläche einer Tanzschule, eine Quartiersgarage unterm Schulhof. Oder die Möglichkeit, die Busspur in den Nachtstunden zum Parken freizugeben.

Schließlich resümierte Körner: „Das Problem ist sehr, sehr groß. Wir haben in der Debatte aber eine gute, ganz praktische Ausbeute bekommen. Wir wollen das Thema vernünftig lösen. Zaubern kann aber niemand. Es wird darum gehen, einen Ausgleich zwischen den Ansichten zu schaffen. Das gilt ja prinzipiell für den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft.“