An der Volkshochschule diskutierten Experten über die Frage, wie der Staat seine Bürger vor Terrorismus schützen kann. Einig waren sich die Beteiligten darin, dass es keine absolute Sicherheit gibt.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Beate Bube musste dem Publikum eine Illusion nehmen. „Es gibt keine einhundertprozentige Sicherheit“, sagte die Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Es sei praktisch unmöglich, viele Menschen über sehr lange Zeit rund um die Uhr zu überwachen, das mache auch der US-Nachrichtendienst nicht. „Die Vorstellung, dass es eine Stelle wie die NSA gibt, die ständig das ganze Leben einer Bürgers überwacht, ist ein Märchen.“

 

Freiheit gegen Sicherheit?

Die Diskussionsrunde in der Volkshochschule Stuttgart ging der zentralen Frage nach, wie viel Sicherheit eine Gesellschaft braucht und wie viel Freiheit wir uns angesichts der aktuellen islamistischen Terroranschläge leisten können. Rainer Pörtner, Politikchef der Stuttgarter Zeitung und Moderator der Runde, wollte wissen, wie denn nun auf die Attentate reagiert werden soll, denn es gelte auch der Satz: „Freiheit ohne Sicherheit ist keine Freiheit.“

Beate Bube warnte davor, angesichts der aktuellen Bedrohungslage der Sicherheit in einem Staat absolute Priorität einzuräumen und eine Dichte der Überwachung einzufordern, die nicht mehr mit den demokratischen Grundsätzen vereinbar wäre.

„Deutschland will keine Totalüberwachung“

Aus dem Publikum kam allerdings heftiger Widerspruch. Ein Zuhörer äußerte sich während der Fragerunde überzeugt, dass der US-Nachrichtendienst NSA durchaus eine weltweite Rundumüberwachung anstrebe. Solche eine totale Überwachung zerstöre genau jene Freiheit, die sie vorgebe zu schützen. Beate Bube erwiderte, dass es durchaus Unterschiede in der Ansicht gebe, wie viel Überwachung zur Abwehr von Anschlagen notwendig ist. In Deutschland sei es aber völlig klar, so die Präsidentin des Verfassungsschutzes, dass eine Rundumüberwachung nicht gewollt wird und auch nicht möglich ist.

Die Redner auf dem Podium unterstrichen, dass angesichts der aktuellen Anschläge eine gewisse Gelassenheit an den Tag zu legen. „Das Ziel der Terroristen ist es, dass wir überreagieren“, erklärte Lothar Frick, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung. „Sie wollen Angst machen, Unfrieden sähen und die Gesellschaft spalten.“ In diesem Sinne müsse man sich immer sehr genau überlegen, wie viel Freiheit wir bereit sind aufzugeben, um uns gegen Terrorakte zu schützen.

Integration stärkt die Sicherheit

Tobias Matzner vom Internationalen Zentrum für Ethik und Wissenschaften an der Universität Tübingen unterstrich im Verlauf der Diskussion, dass diese Spaltung der Gesellschaft nicht zugelassen werden dürfe. Gerade jetzt müsse versucht werden, dass Gruppen, die ausgegrenzt sind, wieder zu integrieren. Das sei ein wirksamer Weg, dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen. Auch den in Deutschland ankommenden Flüchtlingen dürfe nicht auf dem Niveau begegnet werden dürfe, dass sie nur als potentielle Terroristen und damit als Bedrohung für die Sicherheit gesehen werden. Dieser Forderung konnten alle Redner auf dem Podium zustimmen. Lothar Frick fügte noch hinzu: „Wenn wir hier Muslime pauschal ausgrenzen würden, würde das Rekrutierungsfeld für die Terrororganisation Islamischer Staat wesentlich größer werden.“