Besonders Hochschulen stöhnen über teure Sanierungsmaßnahmen für den Brandschutz. Doch Nachforderungen sind einen neuen Bericht zufolge nur erlaubt, wenn konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht.

Stuttgart - Die Hochschulen des Landes dürfen hoffen. Der Brandschutz könnte sich als flexibler erweisen, als bisher befürchtet. Eine vor einem Jahr eingesetzte interministerielle Arbeitsgruppe ist jetzt zu Ergebnissen gekommen. In dem Papier, das dieser Zeitung vorliegt, halten die Experten unter anderem fest, dass die häufig geforderten zweiten Rettungswege nicht zwingend seien. Der teure nachträgliche Einbau kann dem Papier zufolge „nur in wenigen Ausnahmefällen gefordert werden“. Nämlich dann, wenn die Feuerwehr keinen Platz habe, ihre eigenen Rettungsgeräte aufzustellen. Nachträgliche Brandschutzanforderungen dürften grundsätzlich „nur bei konkreter Gefahr für Leib und Leben“ gestellt werden.

 

Brandschutzgutachten sind dem Papier zufolge lediglich Handlungsempfehlungen. Hinweise der Feuerwehr seien nicht bindend, sondern allenfalls als Empfehlungen bei Ermessensentscheidungen zu betrachten. Es sei stets abzuwägen zwischen Brandschutz, Nutzbarkeit, Gestaltung und Denkmalschutz.

Sachgerechtes Ermessen

Federführend ist das Wirtschaftsministerium als oberste Baurechtsbehörde. Eine Sprecherin von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), betrachtet das von der Arbeitsgruppe vorgelegte „Grundsatzpapier Brandschutzanforderungen im Bestand“ als Hilfsmittel für die Behörden. „Es soll bewirken, dass die unteren Baurechtsbehörden ihre Ermessen im Hinblick auf nachträgliche Brandschutzanforderungen sachgerecht ausüben“. Schon bei der Einsetzung der Arbeitsgruppe war es das erklärte Ziel des Wirtschaftsministeriums Nutzungseinschränkungen so gering wie möglich zu halten.

An der Arbeitsgruppe waren außer dem Landwirtschafts-, dem Verkehrs- und dem Staatsministerium alle Ministerien des Landes beteiligt. Acht an der Zahl. Ausgangspunkt für die Arbeit waren dem Wirtschaftsministerium zufolge, „vielfach überbordende Anforderungen“ bei Umbau oder Sanierung insbesondere von öffentlichen Gebäuden. Die Anforderungen seien „vielfach und vielfach zu Unrecht mit den Vorgaben des baulichen Brandschutzes“ begründet worden.

Hochschulen klage über Einschränkungen

Die Vorgaben führen teilweise zu erheblichen Einschränkungen, besonders an den Hochschulen des Landes. Im Foyer des Kupferbaus, des zentralen Vorlesungsgebäudes der Universität Tübingen, dürfen aus Brandschutzgründen keine öffentlichen Veranstaltungen mehr abgehalten werden. Die große Einführungsveranstaltung für Erstsemester musste aus der neuen Aula in der Stadt verlegt werden in die Gebäude der Naturwissenschaften, klagt eine Unisprecherin. Schon vor einem Jahr hatte das Wissenschaftsministerium die Hochschulen zum Brandschutz befragt. In jeder fünften der 335 Antworten wurden Einschränkungen des Betriebs aufgeführt.

Richtig teuer wird es, wenn bei der Sanierung der teilweise historischen Hochschulgebäude kostenintensive Brandschutzauflagen hinzu kommen. An der Universität Freiburg hatte das Land für 38 der 132 Universitätsgebäude „größeren Handlungsbedarf“ für brandschutzrechtliche Maßnahmen identifiziert. Allein für die denkmalgeschützten Kollegiengebäude der Uni Freiburg beliefe sich das Brandschutzkonzept auf 10,8 Millionen Euro. Das Wirtschaftsministerium sprach schon vor einem Jahr bei Sanierungen öffentlicher Gebäude von Mehrkosten durch Brandschutzmaßnahmen zwischen 14 und 68 Prozent.

Grüne gegen Brandschutz als Ausrede

Alexander Salomon, der hochschulpolitische Sprecher der Landtagsgrünen erneuerte die Forderung der Grünen, für Zweifelsfälle eine zentrale Anlaufstelle einzurichten. Er rät, „gerade beim Sanierungsstau im Hochschulbau sollten nicht unnötig Barrieren aufgebaut werden, die so rechtlich nicht zwingend sind“. Risiken müssten abgewogen werden. „Der Brandschutz sollte aber nicht als faule Ausrede überstrapaziert werden“. Der Bericht zeige, „beim Brandschutz ist mehr Flexibilität vorhanden, als bisher bekannt“.