Rumänien und Italien kämpfen seit Monaten gegen eine Masernepidemie. Japan warnt nun sogar vor Europareisen. In Deutschland steigt zwar die Impfquote, dennoch wird auch hierzulande über eine Impfpflicht diskutiert.

Stuttgart - Mehr als 8000 Erkrankungen und mindestens 32 Tote zählen Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das nationale Gesundheitsamt seit dem jüngsten Masernausbruch in Rumänien seit Anfang 2016. Ähnlich sieht es in Italien aus, wo seit Beginn dieses Jahres mehr als 4000 Fälle gemeldet worden sind. Auch andere europäische Länder wie Deutschland und Portugal sind betroffen – wenn auch nicht in gleichem Maße. Europaweit, so berichtet zumindest das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), sei die Zahl der Masernerkrankungen in den ersten fünf Monaten des Jahres im Vergleich zur Gesamtzahl des Vorjahres um 50 Prozent gestiegen.

 

Während das Robert-Koch-Institut angesichts dieser Zahlen von einer Epidemie spricht, ist das japanische Gesundheitsministerium nun sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat eine Warnung an alle Europareisende herausgegeben. Obwohl Japan der WHO zufolge seit zwei Jahren als masernfrei gilt, hat es dort bis Anfang August 169 Erkrankungsfälle gegeben, wie die Nachrichtenseite „Japan Today“ am Dienstag berichtet hat. Die Betroffenen hätten sich allesamt im Ausland angesteckt. Den Reisenden wird deshalb empfohlen, ihren Impfschutz nachzubessern.

Auch Amerika gilt inzwischen als masernfrei

Ein Ratschlag, der in diesen Tagen von vielerlei Seiten zu hören ist. „Masern sind generell keine harmlose Kinderkrankheit. Im Schnitt stirbt in westlichen Industrieländern etwa einer von tausend Erkrankten“, sagt die Pressesprecherin des Robert-Koch-Instituts, Susanne Glasmacher. Durch gute Impfquoten sei es beispielsweise den skandinavischen Ländern gelungen, Masern zu eliminieren. Auch Amerika gilt inzwischen als masernfrei – auch wenn das nicht gänzlich ausschließt, dass die Krankheit in Einzelfällen weiterhin auftreten kann.

Vor Reisen in betroffene Länder wie Rumänien möchte Glasmacher zwar nicht warnen, jedoch darauf hinweisen, dass man die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beachten solle. Außerdem sollten vor allem all jene, die nach 1970 geboren wurden, ihren Impfpass überprüfen und die Impfung nachholen oder vervollständigen. „Die Impflücken in dieser Altersgruppe sind gravierend“, sagt Glasmacher.

Bislang sind dem städitschen Gesundheitsamt in Stuttgart keine Fälle gemeldet worden

Warnungen wie diese sind nicht neu. Mit jeder weiteren Epidemie entbrennt auch in Deutschland wieder die Debatte darüber, ob eine Impfpflicht nötig ist. Auch wenn eine entsprechende Regelung weiter auf sich warten lässt – die Luft für Impfverweigerer ist spürbar dünner geworden. Schon seit 2015 ist für Eltern, die ihren Nachwuchs in einer Kita unterbringen möchten, eine Impfberatung Pflicht. Vor wenigen Wochen wurde diese Regelung auf Betreiben von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) noch einmal verschärft. Kitas müssen Eltern, die eine solche Beratung nicht nachweisen können, nun an das Gesundheitsamt melden. Die Behörde kann nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie die Eltern zu einer Beratung einlädt oder nicht. Außerdem kann sie ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro verhängen.

Bislang sind dem städtischen Gesundheitsamt in Stuttgart keine Fälle gemeldet worden. Cordelia Fischer, Leiterin des Sachgebiets Kinder- und Jugendgesundheit, führt das auf zwei Gründe zurück. Zum einen fiel die Gesetzesänderung in den Beginn der Ferienzeit, zum anderen konnten bislang noch nicht alle bürokratischen Hürden überwunden werden. „Das bisher zur Attestierung der ärztlichen Untersuchung vor Kita-Aufnahme landesweit vorgegebene Formular wird noch im Sozialministerium überarbeitet und liegt uns daher nicht vor“, sagt Fischer. Unklar sei auch, welche personenbezogenen Daten überhaupt gemeldet werden sollen.

Immer mehr Politiker sprechen sich für eine Impfpflicht aus

Doch selbst wenn die Formalitäten geklärt sind und die Fälle tatsächlich gemeldet werden können, rechnet sie nicht mit vielen Meldungen. „Ich meine, es wird wohl kaum Kinder geben, die zwar eine Aufnahmeuntersuchung, aber keine Impfberatung haben.“ So würde die Aufnahmeuntersuchung, die von den Einrichtungen ohnehin verlangt wird, meist schon eine Impfberatung einschließen.

Unterdessen ist in der Politik die Zahl derer, die sich für eine Impfpflicht aussprechen, gewachsen. Parteitage von CDU und FDP haben sich zuletzt entsprechend positioniert. Allerdings: Das Grundgesetz steht einer Impfpflicht unter Umständen entgegen. Impfungen stellen – wie jede medizinische Behandlung – einen Eingriff etwa in die körperliche Unversehrtheit des Menschen dar. Sie dürfen deshalb nicht gegen den Willen der Betroffenen oder ihrer Vertreter vorgenommen werden. Impfgegner aus Überzeugung, die nicht selten mit Theorien aufwarten, die wissenschaftlicher Überprüfung nicht standhalten, können sich darauf im Zweifel berufen. Hartnäckig hält sich unter Impfgegnern in den sozialen Netzwerken aktuell etwa die als böswillig gestreute Fehlinformation entlarvte These, dass die Dreifachimpfung gegen Masern, Röteln und Mumps dem Autismus Vorschub leiste.

Regional gibt es starke Unterschiede

Dennoch: Rein rechtlich gesehen kann der Bundesgesundheitsminister laut Infektionsschutzgesetz eine Impfpflicht jederzeit mit Zustimmung des Bundesrats anordnen. Dafür muss er aber eine konkrete Bedrohungslage für bestimmte Bevölkerungsteile nachweisen können. Das übergeordnete Ziel, beispielsweise die Masern auszurotten, reicht dafür nicht aus. Grundsätzlich gilt: Auch ohne Impfpflicht sind die Impfquoten in Deutschland in den vergangenen Jahren besser geworden. Regional aber gibt es starke Unterschiede. Bei der zweiten Masernimpfung belegt Baden-Württemberg nach der jüngsten Statistik des Robert-Koch-Instituts (Schuleingangsuntersuchung 2015) mit einer Quote von 88,8 Prozent den letzten Platz.