Die durch unsere Zeitung aufgedeckten Missstände in Heimen der Alloheim-Kette markieren einen Trend der Branche: Immer mehr Pflegeheime werden an Investoren verkauft. Das hat gravierende Folgen.
Ludwigsburg - Die Missstände in Heimen der Alloheim-Kette, die durch Recherchen unserer Zeitung aufgedeckt wurden, lassen den Ruf nach Konsequenzen lauter werden. So fordert die Linken-Politikerin Pia Zimmermann, den Verkauf von Heimen an Finanzinvestoren zu erschweren. Auch der Pflegeheim-Experte Claus Fussek aus München sieht den Fehler im System – und fordert effektivere Kontrollmöglichkeiten.
Die Alloheim-Gruppe aus Nordrhein-Westfalen mit bundesweit über 160 Einrichtungen steht in der Kritik, weil es in einigen Heimen gravierende Vorfälle gegeben hat – etwa mangelnde Hygiene und Vernachlässigung von Bewohnern. Das hat dazu geführt, dass die Alloheime in Ludwigsburg und Simmerath geschlossen wurden. Auch aus dem Alloheim in Hannover sind neue Vorwürfe bekannt geworden, deshalb wurde in dieser Einrichtung ein Aufnahmestopp von der Heimaufsicht verhängt.
Alloheim: Weitere Vorwürfe in Hannover
So ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover im Fall einer 71-jährigen Heimbewohnerin, die nach einem Klinikaufenthalt in Kurzzeitpflege kam. Nach elf Tagen soll sie, wie eine Verwandte berichtet, unter anderem mit Druckgeschwüren ins Krankenhaus gekommen und Monate später gestorben sein. Wie bei anderen Fällen erklärt Alloheim: „Der Sachverhalt stellt sich anders dar.“ Wie genau, will man nicht sagen – es gibt eine rechtliche Auseinandersetzung mit den Angehörigen. Die Alloheim-Gruppe, die im Dezember für 1,1 Milliarden Euro von einem Finanzinvestor Carlyle Group an Nordic Capital verkauft wurde, zeigt einen Trend in der Branche. „Es gibt ein Strukturproblem“, sagt der als „Pflegepapst“ bekannte Pflegekritiker Claus Fussek. Man dürfe ein so wichtige Dienstleistung wie die Altenpflege nicht internationalen Investmentfonds überlassen. „Niemand käme auf die Idee, das mit Schulen oder Kindergärten zu machen“, sagt Fussek.
Verdi und Linke: Pflege wird zur Ware
Die Linken-Abgeordnete Pia Zimmerman fordert die Politik zum Handeln auf. „Wir sehen jetzt, was passiert, wenn man die Pflege zur Ware macht“, bemängelt sie. Tatsächlich werden immer mehr Pflegeheime verkauft: Erst im Herbst 2017 hat die Gesellschaft Oaktree Capital aus Los Angeles (USA) die Hamburger Vitanas Holding mit 8300 Mitarbeitern übernommen. Der Vitanas-Betriebsratschef Harald Hahne sieht das kritisch: „Der Investor sagt ganz offen, dass er fünf bis sieben Jahre im Unternehmen bleiben will, um es dann gewinnbringend zu verkaufen“, wird er in einem Verdi-Magazin zitiert.
Marktführer in Deutschland ist mit 25 000 Pflegeangestellten die französische Korian-Gruppe, die in der Region Stuttgart ebenfalls in Ludwigsburg ein Heim betreibt. Drei Milliarden Euro wurden deutschlandweit allein im Jahr 2016 in Pflegeimmobilien investiert, wie eine Analyse der Frankfurter Immobilienberatung CBRE zeigt, darunter waren zwei Megadeals: Die Gruppe Primonial Reim aus Frankreich hat 68 Pflegeheime für knapp eine Milliarde von Even Capital übernommen, und die Deutsche Wohnen erwarb für 420,5 Millionen 28 Heime, wie die Experten von CBRE in dem Report auflisten. Sylia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand sagt: „Es ist unverantwortlich, die Pflege Finanzinvestoren auszuliefern.“ Der Anteil privatwirtschaftlicher Betriebe im Pflegesektor sei zwischen 1999 und 2015 von 43,7 auf 52,3 Prozent anstiegen.
Ruf nach besseren Kontrollsystemen
Angesichts der bekannt geworden Missstände stellt sich die Frage, ob die Kontrollsysteme funktionieren. So hat das Ludwigsburger Heim wenige Monate vor der angeordneten Schließung durch das Landratsamt bei einem Prüfbericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) die Note 1,3 erhalten. Auch dafür haben Experten wie Fussek eine Erklärung: „Der MDK überprüft nur, ob die Dokumentation korrekt ist. Das ist Verbrauchertäuschung.“
Wenigstens ist jetzt für die Bewohner des ehemaligen Alloheims in Ludwigsburg, das jetzt unter dem Namen „Seniorenresidenz am Hohenzollernplatz“ von der Convivo-Gruppe aus Bremen geführt wird, Besserung in Sicht. Das erklärt das Ludwigsburg Landratsamt. „Die pflegerische Versorgung ist in Ordnung, es gab keine kritischen Ereignisse“, erklärt Sprecher Andreas Fritz. Die Mitarbeiter würden weitergebildet. Sein Fazit: „Die Einrichtung befindet sich auf einem guten Weg, es bedarf aber noch Schulungen und Kontrollen, etwa bei der Qualitätssicherung.“