Die AfD ruft zu einer Demonstration gegen die Fortführung der Lea auf. Andere laden zu einem Fest für die Demokratie ein. Die Flüchtlinge sind Teil des Stadtlebens. Doch die Bürger ziehen ganz unterschiedliche Schlüsse daraus.

Ellwangen - Der Satz fällt nicht. Niemand sagt an diesem Abend „,Man wird doch wohl noch sagen dürfen“. Und doch ist er dabei, als sich im Gasthaus Lamm in Ellwangen-Schrezheim diejenigen versammeln, die bei der Bürgerwerkstatt der örtlichen CDU über das Für und Wider einer Bestandsverlängerung für die dortige Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) mit dem Land diskutieren wollen. Am Ende des Abends wirken alle ein bisschen erleichtert: Die Teilnehmer sind sachlich geblieben, man hat sich ausreden lassen und nicht niedergebrüllt, man hat sich ernst genommen und nicht niedergemacht – wie es sich gehört eben, wie es aber längst nicht mehr selbstverständlich zu sein scheint, wenn es um Flüchtlinge geht.

 

Die knapp 3000 Schrezheimer haben die Lea fast direkt vor der Haustür und damit auch die Probleme. Einige befürchten, so äußern es mehrere Redner, mit ihren Sorgen, Nöten und Ängsten und ihrer Kritik an einem Weiterbetrieb der Lea in die rechte Ecke gestellt zu werden. Aber auch die Befürworter einer Fortführung sehen sich diskreditiert: „Ich habe Angst zu sagen, ich habe in der Lea gearbeitet und mich dort engagiert“, sagt etwa Markus Grabinger, der Flüchtlingskindern Nachhilfe gegeben und Sportangebote gemacht hat.

Die AfD ruft zu einer Demo auf

Jetzt springt die lokale AfD auf das Thema auf. Der AfD-Kreisverband Ostalb ruft für den Samstag, 22. September, in Ellwangen zu einer Demonstration dagegen auf, den Betrieb der Lea zu verlängern. Die Partei rechnet mit 300 bis 500 Teilnehmern. Einmütig haben die drei Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises, Leni Breymaier (SPD), Margit Stumpp (Grüne) und Roderich Kiesewetter (CDU), die Ellwanger zu „Vernunft, Besonnenheit und zu einem aufgeschlossenen Miteinander“ aufgerufen und vor einer Spaltung der Stadtgesellschaft gewarnt. Das Bündnis Mahnwache Ellwangen, ein Zusammenschluss aus mehreren Gruppen in der Stadt, hat nicht lange gefackelt und seinerseits für Samstag ein buntes Fest für Demokratie und Menschenrechte organisiert.

Seit Monaten wird in Ellwangen über die Zukunft der Lea diskutiert. Die Stadt mit ihren knapp 25 000 Einwohnern sei zu klein für eine Einrichtung, die 500 bis 1000 Flüchtlinge beherbergen soll, sagen die einen. Gerade in Schrezheim empfindet man das so genannte Lea-Privileg offenbar zunehmend als Bürde. Weil Ellwangen die Flüchtlinge in der Lea vorübergehend beherbergt, müssen die Kommunen im Ostalbkreis keinen Flüchtlingen Anschlussunterbringungen besorgen. „Uns wäre es lieber, wenn Flüchtlingsfamilien dauerhaft zu uns kämen. Die könnten wir kennenlernen und integrieren“, erklärt etwa Gerhard Löber, ein Jugendleiter der Sportgemeinschaft Schrezheim. Das stetige Kommen und Gehen in der Lea stehe der Integration entgegen. In Ellwangen sehnen sich manche nach dem Alltag.

Manche Flüchtlinge schlafen draußen

Hinzu kommt: Etwa zwei Drittel der zurzeit 651 Lea-Bewohner haben kaum eine Chance, dass ihr Asylantrag anerkannt wird. Viele müssen damit rechnen, eines nachts abgeholt und abgeschoben zu werden. Aus Angst campieren manche nachts draußen.

Dass man sich von Land und Landkreis nicht genug wertgeschätzt fühlt dafür, dass man die vergangenen Jahre erfolgreich bewältigt hat, trägt nicht zur Aufhellung der Stimmung bei. Der Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) hat den Zuschlag für die Landesgartenschau an Ellwangen mit der Erwartung verknüpft, dass die Stadt dann auch einer Weiterführung der Lea zustimmt. Das hat helles Entsetzen ausgelöst in der Stadt.

Zu klein für die große Aufgabe?

Ellwangen ist zu klein für diese große Aufgabe, sagen also die einen. Das kleine Ellwangen habe in den vergangenen fünf Jahren Großes geleistet, sagen die anderen. Hundert Ehrenamtliche arbeiten mit in der Lea, sie hat viel Engagement hervorgerufen. In der ehemaligen Kaserne gebe es nun eine funktionierende Infrastruktur. Es sei nicht sinnvoll, sie nun aufzugeben und für viel Geld andernorts mit allen Anlaufschwierigkeiten neu aufzubauen. Niemand bestreite, dass es Probleme und Ängste gebe. „Die Frage ist doch: Wie lösen wir die?“

Über diese Fragen verhandeln die Stadt, der Kreis und das Land zurzeit. Der Oberbürgermeister Karl Hilsenbek (parteilos) will einige Eckpfeiler vertraglich fixiert wissen. So müsse die Fortführung der Lea endgültig befristet werden. Auch die Einrichtung eines so genannten Ankerzentrums soll schriftlich ausgeschlossen werden. Hilsenbek hofft, dass der Gemeinderat noch in diesem Jahr über die Weiterführung der Lea entscheiden kann.

„Auch nicht schlimmer als Fußballfans“

„Ein Kernthema ist aber auch die Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls“, sagt der OB. Ellwangen brauche mehr Sozialarbeiter und Polizisten. Manche Frauen fühlten sich von den Kontaktversuchen einiger Flüchtlinge bedrängt und bedroht, sie trauten sich nicht mehr allein auf die Straße oder in die Bahn, wird berichtet. Was sie bisher mit Flüchtlingen erlebt hätten, erzählen andere, sei kein Vergleich dazu, was man als Frau erlebe auf der Zugfahrt heim vom Cannstatter Wasen – oder wenn der VfR Aalen ein Heimspiel habe.