Der Abgeordnete Michael Bloss (Grüne) erklärt, warum er im EU-Parlament für die Sanierungspflicht von Gebäuden gestimmt hat, die Abgeordnete Angelika Niebler (CSU), warum sie dagegen votiert hat.

Digital Desk: Philip Kearney (kea)

Kaum ein Sektor hat einen höheren Energiebedarf und verursacht mehr Emissionen als der Gebäudesektor. Nach Angaben der EU-Kommission entfallen in der EU 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen auf den Gebäudesektor.

 

Für die beiden EU-Parlamentarier Angelika Niebler (CSU) und Michael Bloss (Grüne) ist ganz klar, dass der Gebäudesektor seinen Teil zur Erreichung der Klimaziele beitragen muss. Mit Blick auf die jährlichen Sanierungsquoten sowohl in Deutschland (1,5 Prozent) als auch in der EU (ein Prozent) sagt Niebler, die Frage, die sich stelle, sei nicht, ob man saniere, sondern wie man saniere.

Angelika Niebler Foto: CSU

Michael Bloss Foto: Grüne

EU-Parlament fordert emissionsfreie Neubauten ab 2028

Doch über den Weg sind die beiden EU-Abgeordneten uneins. Bei der Abstimmung im Europaparlament zur Überarbeitung der Gebäuderichtlinie stimmte Bloss dafür und Niebler dagegen. Der Beschluss des Parlaments sieht vor, dass bis 2030 alle bestehenden Wohngebäude mindestens der Gesamtenergieeffizienzklasse E und bis 2033 der Klasse D angehören müssen. Zudem sieht der Parlamentsbeschluss vor, dass bereits ab 2028 alle Neubauten emissionsfrei sein sollen.

Ist das Ziel realistisch?

Bloss hält die Zielsetzung für realistisch, Niebler hat ihre Zweifel: „Uns fehlen die Handwerker, um die ganzen Häuser sanieren zu können.“ Zudem würden aufgrund von Lieferkettenunterbrechungen in vielen Handwerksbetrieben die Materialien fehlen.

Was wird eine Sanierung durchschnittlich kosten?

Wie hoch die Sanierungskosten im Einzelfall sein werden, hängt von der Größe und dem energetischen Zustand des jeweiligen Gebäudes ab. Laut Ralph Henger, Volkswirt am Institut der deutschen Wirtschaft, liegen die Kosten für eine energetische Modernisierung auf einen soliden Standard typischerweise zwischen 200 und 500 Euro pro Quadratmeter. Demzufolge kämen auf viele Eigentümer Kosten im fünf- bis sechsstelligen Bereich zu.

Rechnet sich die Sanierung für jeden?

Uneinig sind sich Niebler und Bloss auch darüber, ab wann sich eine Sanierung wirtschaftlich rechnet. Während Bloss mit Blick auf den steigenden CO2-Preis sagt, es gebe „kein wirtschaftliches Argument, mit der Sanierung zu warten“, behauptet Niebler, dass sich die Sanierung aktuell nicht für alle Menschen rechne. Sie hält die geplante Sanierungspflicht deshalb für „sozial ungerecht“. Statt die Energieeffizienz von jedem ineffizienten Gebäude zu erhöhen, plädiert sie für Quartierslösungen.

Wie lassen sich die Sanierungen bezuschussen?

Niebler warnt: „Wir werden aus allen Fonds nicht so viele Mittel zur Verfügung stellen können, dass wir flächendeckend jeden, der saniert, bezuschussen können.“ Bloss widerspricht. „Besonders auf europäischer Ebene gibt es viele Gelder, etwa aus dem Corona-Wiederaufbaufonds und dem Emissionshandel.“

Die CSU-Politikerin hält eine Sanierungspflicht für Länder statt für Gebäudeeigentümer für sinnvoller. „Die Mitgliedsstaaten hätten dann die Möglichkeit, durch Steuervergünstigungen entsprechende Anreize zu schaffen, sodass die Eigentümer ihre Investitionen in den Gebäudestand steuerlich absetzen können. So machen das die US-Amerikaner beim Inflationsbekämpfungsgesetz. Sie setzen Anreize“, erklärt Niebler.

Dem Vorschlag, durch Steuervergünstigen Sanierungsanreize zu schaffen, kann Bloss nichts abgewinnen. Der Abgeordnete hält dies für „unglaublich unsozial“: „Wer kann sich ohne Fördermittel eine Sanierung leisten? Diejenigen, die viele Steuern bezahlen.“ Dabei sollte es dem Parlament um diejenigen gehen, die sich eine Sanierung nicht ohne Finanzhilfe leisten können, so Bloss und weiter: „Das sind aber nicht diejenigen, denen man mit Steuervergünstigungen am stärksten helfen kann.“

Wie die überarbeitete Gebäuderichtlinie letztlich aussehen wird, ist noch offen. Derzeit laufen die Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten.

Die Vorschläge von Kommission und Parlament zur Gebäuderichtlinie

Kommission
Die EU-Kommission machte im Dezember 2021 einen Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Gebäuderichtlinie. Demnach sollen ab 2030 alle neuen Wohngebäude emissionsfrei sein. Zudem sollen alle bereits bestehenden Wohngebäude bis 2030 mindestens der Energieeffizienzklasse F und bis 2033 der Klasse E angehören. In Deutschland entspricht die Klasse F einem Endenergieverbrauch von 160 bis 200 kWh/m2 und die Klasse E einem Verbrauch von 130 bis 160 kWh/m2. Wie die Klassen in der EU definiert sein werden, ist noch unklar.

Parlament
Das EU-Parlament fordert, dass bereits bis 2030 alle bestehenden Wohngebäude mindestens der Gesamtenergieeffizienzklasse E und bis 2033 der Klasse D angehören müssen. Zudem sieht der Parlamentsbeschluss vor, dass bereits ab 2028 alle Neubauten emissionsfrei sein sollen.

Ministerrat
Der Vorschlag des Ministerrats konkurriert mit dem des Parlaments. Er sieht vor, dass ab 2028 neue Gebäude im Eigentum öffentlicher Einrichtungen Nullemissionsgebäude sein sollen und ab 2030 dann auch alle anderen neuen Gebäude. Bei bestehenden Wohngebäuden sollen die Nationalstaaten ihren eigenen Weg festlegen können, um bis 2050 den Gebäudebestand emissionsfrei zu machen. Dabei soll es zwei verbindliche Wegmarken geben: Bis 2033 sollen alle Gebäude im Bestand im Schnitt mindestens das Niveau der Gesamtenergieklasse D erreichen. Ein weiterer Kontrollpunkt wäre dann im Jahr 2040, wobei hier die Mitgliedsstaaten selbst den Wert der durchschnittlichen Gesamtenergieklasse festlegen dürfen sollen.