Im Sommer löste eine Schule in Horb am Neckar mit dem "Hotpants-Verbot" eine bundesweite Diskussion um Kleiderordnungen an Schulen aus. Nun will man in Schwieberdingen der Jogginghose auf dem Schulhof den Garaus machen. Macht ein Dresscode in deutschen Klassenzimmern Sinn?

Stuttgart - „Wer zu aufreizend gekleidet ist (zum Beispiel bauchfreies Shirt, Hotpants...), der bekommt von der Schule ein großes T-Shirt gestellt, das er/sie sich bis zum Schultagsende anziehen muss.“ Diese Information war Inhalt eines Briefes, den eine Werkrealschule in Altheim bei Horb am Neckar Anfang Juli 2015 an die Eltern ihrer Schüler verschickte.

 

Der Vorstoß sorgte schnell für eine hitzige Diskussion – auch, weil sich vor allem die Mädchen mit der Formulierung einseitig angegriffen fühlten. Andererseits gab es auch viele zustimmende Reaktionen - eine Kleiderordnung oder gleich Schuluniformen, die vor allem in angelsächsischen Ländern Tradition haben, würden die Diskussion um zu viel nackte Haut oder Klamottenneid ein für alle Mal beenden, meinten Befürworter.

Nun hat eine Schule in Schwieberdingen (Landkreis Ludwigsburg) Ähnliches vor – Schulleiterin Sandra Vöhringer sind vor allem Jogginghosen und „Schlabberlook“ ein Dorn im Auge. Sowohl Eltern als auch Schüler sieht sie größtenteils auf ihrer Seite – auch der Elternbeirat sei dafür. Eine Arbeitsgruppe soll nun gemeinsam einen Dresscode erarbeiten, der an der Schule durchgesetzt werden soll – da seien auch die Hotpants und Miniröcke wieder Thema.

In den Klassenzimmern an Baden-Württembergs öffentlichen Schulen dürfen die Kinder und Jugendlichen in der Regel anziehen, was ihnen gefällt – Vorschriften gibt es nicht. Laut Kultusministerium sind Schulen „nicht berechtigt, die eigene Moralvorstellung zum Gradmesser für eine korrekte Kleidung zu machen“, ließ sich im Sommer eine Sprecherin in Stuttgart zitieren.

Ein Stück weit aber haben Schulen freie Handhabe, was Vorschriften zur Kleiderordnung angeht – das sei auch berechtigt, wenn beispielsweise die Konzentration oder gleich der Schulfrieden deswegen auf dem Spiel stehe.

Reaktionen im Netz

Die Diskussion über die Einführung von Kleiderordnungen an Schulen ist auch im Netz neu entbrannt. Hier eine Auswahl von Kommentaren auf Facebook:

Dano Behrens: "Die Schule ist weder Bank noch Büro (...) Schule ist auch Lebensraum, ohne Lohn- und Arbeitszwang. Und es ist auch wichtig, dass es so bleibt. Schüler sollen sich in ihrer Schule wohlfühlen und nicht in allen Kleinigkeiten von den Erwachsenen bevormundet werden."

Katharina DivaoftheDamned: "Finde eine Kleiderordnung gut. So is jeder gleich, egal ob arm oder reich, egal ob modisch oder extravagant und es tritt das Gefühl der Gemeinschaft auf!"

Michael Fuchs: "Welche erzkonservativen Kräfte sind denn da am wirken? In welche intolerante Gesellschaft driften wir denn ab? Ich hoffe nur, dass die heutige Jugend so rebellisch ist, wie wir es damals waren. JUGEND, LASST EUCH DAS NICHT GEFALLEN!!!"

Heike Wendel: "Verstehe den ganzen Trubel nicht. Schuluniform und aus die Maus. Wenn ich morgens zum Teil die Schüler sehe wie ausgerüstet diese zu Schule gehen bin ich schon teilweise verwirrt. z.B. die Mädels mit Handtäschchen....brauchen die keine Schulbücher und Hefte mehr???"

Sonja Gruber: "Eigentlich Erziehungssache der Eltern (...) Jogginghosen gehören aufs Sofa, oder in die Turnhalle. Nicht in die Schule oder ins Berufsleben (Sportlehrer ausgenommen)"

Maja Filder: "Kleiderordnung wäre super, kein scharfes Gefälle mehr zwischen KIK- und Chanel-Kindern. Aber - Kleiderordnung auch für die Lehrer!!"

Kylian Miguel Dornier: "Einerseits bin ich auch dafür. Auf der anderen Seite mag ich die Uniformität nicht. Jeder Mensch ist individuell."

Eine Schule in Schwieberdingen löst mit ihrem Vorschlag zum Kleidungsstil der Schüler heftige Reaktionen aus. Soll die Jogginghose im Unterricht nun verboten werden oder nicht?

Posted by stuttgarter-zeitung.de on  Mittwoch, 11. November 2015

Info: Wo gibt es Schuluniformen und was bewirken sie?

Schuluniformen sind in einigen europäischen Ländern wie Großbritannien, Irland oder Spanien vorgeschrieben. Auch zahlreiche südamerikanische Länder, darunter Argentinien, Chile und Kolumbien, schreiben ebenso wie Südafrika, Indonesien, Thailand, Japan oder Australien einheitliche Kleidung an Schulen vor.

In Deutschland entscheiden Schulen selbst

Die Kultusminister überlassen die Entscheidung in Sachen Kleiderordnung den Schulen. Es sind also nicht die Schulbehörden, die einen allgemeinen Dresscode vorschreiben - stattdessen muss jede Schule selbst aktiv werden. Es gibt zudem die Empfehlung, Erziehungsberechtigte und die Schüler in diesen Prozess miteinzubinden.

Studien über die Wirkung von Schuluniformen

Die Justus-Liebig-Universität in Gießen führte im Schuljahr 2003/04 eine Studie zum Tragen von Schulkleidung durch. Sie kommt zu dem Schluss, dass einheitliche Kleidung in Schulklassen mit einem besseren Sozialverhalten der Jugendlichen einhergehe. Die Studie konstatiert eine höhere Aufmerksamkeit, höheres Empfinden von Sicherheit sowie ein generell niedrigerer Stellenwert von Kleidung als in Vergleichsklassen ohne einheitliche Kleidungsregel.

Auch in den USA wurde die Wirkung von Schuluniformen untersucht. Man erhob Daten im kalifornischen Long Beach District, wo im Schuljahr 1994/1995 für 60.000 Schüler Uniformen eingeführt wurden. Seither, so die Erhebung, sei die Gewalt unter Schülern zurückgegangen.

Dass in Deutschland einheitliche Schuluniformen an öffentlichen Schulen dennoch tabu sind, ist auch mit dem Grundgesetz zu rechtfertigen. Laut Artikel 2 hat jeder das „Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ - das betrifft auch die Kleidungswahl an staatlichen Schulen. Auch wenn es generell eine Übereinkunft darüber gibt, was sich „gehört“ und was nicht – auch ein Minister kann sich in Turnschuhen vereidigen lassen.