Eine Skulptur sorgt für Diskussionen: Drittklässler sollen in dem behauenen Marmor einen Geschlechtsakt erkannt haben – zur Sorge der Eltern.

Walheim - Ausgerechnet neben der Grundschule. Und dann auch noch in der Nähe des Kindergartens. Manch ein Walheimer mag sich gar nicht ausmalen, wie viele Kinderblicke nun tagtäglich ungebremst auf die in Stein gemeißelte Anrüchigkeit fallen mögen. Eine Frau und ein Mann aus einem einzigen Stück Marmor – was sonst sollte diese Skulptur darstellen als einen Geschlechtsakt?

 

Für die Drittklässler jedenfalls war die Sache sofort klar: Dem just begonnenen Sexualkundeunterricht folgt hier das Anschauungsobjekt in Natura. Zum Leidwesen einiger Eltern, die die Unschuld ihrer Sprösslinge wenigstens noch ein klein wenig länger gewahrt gewusst hätten: „Die Kinder sind doch noch viel zu jung für so eine Thematik“, sagt Andrea Jäger, die Vorsitzende des Elternbeirats der Grundschule. Der Standort sei völlig unangemessen, da seien sich die Elternvertreter einig. Schließlich laufe ein Großteil der Schüler an dem unzüchtigen Paar vorbei – und sie hätten den Stein des Anstoßes natürlich sofort als „das betitelt, das es wohl sein soll“ – das Unaussprechliche. Aber: „Bis Juli halten wir durch“, sagt Jäger. Dann soll das reizende Motiv wieder entfernt werden.

Eigentlich ein Glücksfall für die Gemeinde

Der Bürgermeister Albrecht Dautel hält es derweil mit Goethe: „Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen“, zitiert er den deutschen Dichter. Wie die Leute die Skulptur interpretierten sei nicht seine Sache. Aber dass sie nicht in einer Nacht- und Nebelaktion aufgestellt worden sei, wie teilweise behauptet, das könne er versichern. Der Walheimer Künstler Dieter Oberdorf sei auf die Gemeinde zugekommen und habe angeboten, sein Werk auf eigene Kosten vor der Gemeindehalle – neben der sich die Grundschule befindet – aufzustellen. „So etwas ist eigentlich ein Glücksfall für eine Gemeinde“, findet Bürgermeister Dautel. Und er halte es nicht für notwendig, im großen Stil anzukündigen, wann die Skulptur aufgestellt werde.

Dass sie zumindest die Aufregung um das ominöse Paar auf dem Rasen vor ihrer Schule nicht für einen Glücksfall hält, ist der Rektorin Sabine Wecht anzumerken. Doch sie betont: „Wir haben überhaupt kein Problem mit der Skulptur.“ Und versucht, das Beste aus der Affäre zu machen: Sie hat den Künstler eingeladen, am kommenden Montag mit den Schülern über sein Werk zu diskutieren.

Künstler stellt sich der Diskussion

Auch wenn er die Aufregung nicht so richtig nachvollziehen kann, findet Dieter Oberdorf die nun entbrannte Diskussion „gar nicht so schlecht“. Er sei schon ganz gespannt auf die Fragen der Kinder bei seinem Besuch. Zumal er großes Verständnis für deren freizügige Interpretation seiner Figur habe: „Die haben etwas Neues im Sexualkundeunterricht gelernt und freuen sich beim Anblick der Skulptur, dass sie jetzt wissen, was das ist.“

Dabei habe sein Werk einen ganz anderen Hintergrund: „Mir geht es um das Idealbild eines Paares“, sagt Oberdorf. Auf der Vorderseite seien Mann und Frau noch als Individuen zu erkennen, auf der Rückseite aber sei die Trennlinie kaum noch vorhanden. Damit will der Künstler die Entwicklung langjähriger Partnerschaften illustrieren: „Das Paar wächst langsam zusammen, bis zwei Personen geradezu zu einer vereint sind“, erklärt er. Die Nacktheit solle nur symbolisieren, dass die beiden keine Geheimnisse mehr voreinander haben. Dass dieser Archetyp auch als anrüchiger Akt gesehen werden könnte, habe er sich nicht träumen lassen. „Aber ich stelle mich der Diskussion“, betont Oberdorf.