Die Grünen im Bezirksbeirat Mitte wagen einen Vorstoß, der den Bürgern die legale Nutzung des öffentlichen Raumes ermöglichen soll. Dazu fordern sie das Ordnungsamt zur Kooperation auf.

Stuttgart - Wem gehört die Stadt? Besser gefragt: Wem gehört der öffentliche Raum? Da gibt es keine zwei Antworten: dem Bürger. Und doch waren der Bürgerschaft zuletzt immer wieder starke Grenzen bei der Nutzung des öffentlichen Raumes gesetzt. Die Beispiele dazu sind sattsam diskutiert: Die Pflanzenkübel im Bohnenviertel, die das Ordnungsamt untersagte. Oder das Schwätzbänkle auf dem Gehweg im Stuttgarter Westen.

 

Das Leben verlagert sich in den öffentlichen Raum

„Nicht erst seit Coronazeiten, nun aber auffällig zunehmend, verlagert sich das Leben mehr und mehr in den öffentlichen Raum“, sagt Wolfgang Kaemmer, der für die Grünen im Bezirksbeirat Mitte sitzt. Er denkt dabei auch an die Außengastronomie oder die Auslagen samt Aufsteller des Einzelhandels, die allesamt behördliche Genehmigungen brauchen. Weniger die kommerzielle, als vielmehr die Ausweitung der Bürgerzone geriet aus Sicht von Kaemmer zuletzt in den Blickpunkt: „Aktionen wie vereinzelte Parklets, die temporäre, äußerst gefragte Wanderbaumallee oder gar eine stationäre, genehmigte Eroberung des öffentlichen Raums durch Casa Schützenplatz werden von den Bürgern vorwiegend positiv auf- und angenommen“, sagt und schreibt er in einem Antrag für die kommenden Sitzung des Bezirksbeirats: „Konflikte mit den maßgeblichen Behörden entstehen dann, wenn sich Bürger den öffentlichen Raum zuerst einmal ohne Absprache nehmen – kleinere oder größere Pflanzenkübel zur Verschönerung der Straße oder zur Verhinderung von lästigen Falschparkern, vor allem aber Sitzgelegenheiten der bequemeren Art unmittelbar vor dem Wohnort der Nutzer.“

Es braucht eine grundsätzliche Bereitschaft der Stadt

Soweit die Bestandsaufnahme des Grünen, die ebenso treffend feststellt: „Hier gab es in letzter Zeit zunehmend Unstimmigkeiten zwischen Initiatoren und der städtischen Behörde.“ Dies müsse nicht sein, so die Meinung von Kaemmer und seiner Fraktion: „Was in anderen Großstädten inzwischen freudig begrüßt und gefördert wird, sollte auch in Stuttgart möglich sein. Dazu gehört aber eine grundsätzliche Bereitschaft der Stadt, den öffentlichen Raum nicht nur kommerziell zur Verfügung zu stellen oder über die vielen kleineren Verstöße großzügig hinwegzusehen, sondern dies unterstützend zu ermöglichen und zu fördern.“ Bürger sollten aus dieser Perspektive ihre Bedürfnisse selbst in die Hand nehmen können. Erst recht, wenn dies auf eigene Kosten geschehe.

Ein Regelwerk wäre für die Grünen wünschenswert

Selbstredend wissen die Grünen auch, dass ein geordnetes und sicheres Leben in der Großstadt eine notwendige (Ver-)Ordnung der Verwaltung braucht: „Natürlich braucht es dafür dann ein gewisses Regelwerk.“ Gleichwohl suchen Kaemmer und seine Parteikollegen nach einem Ausgleich, der in einer Kooperation und gesundem Menschenverstand zu finden wäre. So werden die Grünen am kommenden Montag folgende Bitte per Antrag zur Abstimmung einbringen: „Der Bezirksbeirat Mitte bittet das Ordnungsamt, in Zusammenarbeit mit betroffenen engagierten Bewohnern hier mehr Möglichkeiten zu schaffen, situationsbedingt flexibel zu reagieren und vielleicht sogar in Zukunft eine gesetzliche Grundlage in dieser Richtung zu schaffen.“ Dieser Antrag, so Kaemmer weiter, solle nun auch zur Abstimmung in den anderen Beiräten der Innenstadtbezirken kommen. Dort werde man „Ähnliches fordern“.

Kienzle: Stadt muss doch dankbar sein!

Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle begrüßt das abgestimmte Vorgehen aller Innenstadtbezirke: „Das ist eine gute Sache. Denn wir in der Mitte, im Osten, Westen und im Norden haben in dieser Sache andere Anforderungen als etwa Bezirke wie Botnang, Weilimdorf oder Degerloch. Daher habe ich diesen Antrag gerne auf die Tagesordnung genommen.“ Im Grunde müsse die Stadt doch dankbar und froh sein, so Kienzle, dass die Bürger so liebevoll mit ihrer Umgebung umgehen. Aus diesem Grund ist auch sie der Meinung, dass man diesem Begehren „mit einer gewissen Großzügigkeit und Zugewandtheit“ begegnen müsse.