Opernsanierung in Stuttgart Alle wollen, dass es jetzt losgeht!

Vielleicht gar nicht so schlimm? Die Podiumsrunde im Stuttgarter Schauspielhaus betrachtet eine 3-D-Animation, die den umstrittenen Einbau einer Kreuzbühne ins Opernhaus simuliert. Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Pläne und Problemstellen: Eine Runde mit OB Fritz Kuhn und Kunstministerin Theresia Bauer hat im Schauspielhaus über die Zukunft der Stuttgarter Oper diskutiert.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Die verflixte Kreuzbühne! In den vielen Jahren der Diskussion um das Opernhaus war diese Sanierungskomponente, die einen schnellen Bühnenbild-Wechsel garantiert, stets umstritten. Der Verein Aufbruch Stuttgart sah dadurch gar den Littmann-Bau „weitgehend“ zerstört, weil eine Kreuzbühne eine Versetzung der Fassade um 2,5 Meter nötig macht. Ein fataler architektonischer Eingriff also? Im Stuttgarter Schauspielhaus simulierte am Sonntagvormittag eine 3-D-Animation, die auf Basis eines Laser-Scans des Gebäudes entstanden ist, den Umbau: In wenigen Sekunden fährt die Opernfassade da in Richtung Taxistand und Landtag heraus, um gleich darauf wieder geschlossen zu werden, ohne dass das historische Antlitz des ehrwürdigen Kulturdenkmals beeinträchtigt wäre – zumindest auf den ersten Blick.

 

Der Einspiel-Film gehörte zum Daten-, Plan- und Fakten-Material, das Nikolai Forstbauer, Titelautor der „Stuttgarter Nachrichten“ als Basis für die Podiumsdiskussion „Chance Opernhaus!?“ mitgebracht hatte, zu dem die Zeitung und das Staatstheater gemeinsam eingeladen hatten. Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Marc-Oliver Hendriks, geschäftsführender Intendant der Staatstheater, sowie Wolfgang Riehle, Ehrenpräsident der Architektenkammer, und Wieland Backes, Vorsitzender des Vereins Aufbruch Stuttgart, saßen auf dem Podium.

Ein Waschbecken für 14 Ballett-Schwäne

Das Ziel: über den Stand der Planungen des mutmaßlichen Milliarden-Projekts informieren und „Problemstellen“ thematisieren, so Forstbauer vor dem zu zwei Dritteln gefüllten Zuschauerraum. Die Problemstelle Kreuzbühne konnte Hendriks mit der Computersimulation, so schien es, mit leichter Hand entschärfen. Auch der Erbauer Max Littmann hätte seinerzeit schon gern eine Seitenbühne gehabt, informierte der Intendant, habe sich aber zugunsten einer Kutschenauffahrt, die der Bauherr, König Wilhelm II., damals gewünscht hatte, dagegen entschieden.

Jenseits von solchen bauhistorischen Details machte die zweistündige Matinée deutlich: Die Staatstheater-Leiter wie die politischen Verantwortlichen von Stadt und Land wollen die Sanierung, alle wollen eine Zukunft für den Littmann-Bau im Herzen des Kulturquartiers, und alle wollen, dass es endlich los geht. Wie sehr der Startschuss für das Mammut-Projekt überfällig ist, führte ein weiterer Einspieler vor Augen: Ballerinen, die sich auf kaltem Steinboden die Spitzenschuhe binden müssen, Garderoben, die aus den Nähten platzen, Orchesterbläser, die sich beim Einspielen auf die Füße treten. Beim Ballett „Schwanensee“ müssten sich vierzehn Schwäne ein einziges Waschbecken teilen“, illustrierte der Ballettintendant Tamas Detrich im Film die Situation.

Wieland Backes: „Wir sind keine Feinde der Oper!“

OB Fritz Kuhn riet das Publikum dazu, sich bei den derzeit angebotenen Führungen hinter die Kulissen des Opernhauses selbst ein Bild von den Zuständen zu machen. Er bekräftigte sein Bekenntnis, das Drei-Sparten-Haus in eine Zukunft zu führen und bei den Wagenhallen eine Interims-Spielstätte zu bauen. Dabei drängte er – „Wir sollten schon langsam mal zu Potte kommen“ – und verwies auf die anstehenden Grundsatzbeschlüsse im Stuttgarter Gemeinderat im Frühjahr 2020.

Dem Aufbruch-Sprecher Wieland Backes war daran gelegen zu betonen: „Wir sind keine Feinde der Oper, wir gehen da selber mal hin!“ Trotzdem brachte er abermals die von der Bürgerinitiative favorisierte Neubau-Lösung in Form eines Hybrids aus Opernhaus und Konzerthalle, vorzugsweise in der unteren Königstraße, ins Spiel. Diese Variante sei nicht gründlich genug geprüft worden; die Möglichkeiten der elektronischen Akustiksteuerung würden ignoriert, so sein Vorwurf. Ein Argument, das Hendriks als „inhaltlich gröbsten Unfug“ zurückwies.

Neben OB Kuhn widersprach in diesem Punkt auch Theresia Bauer: „Wie kann man ernsthaft auf die Idee kommen, das Opernhaus mit seiner grandiosen künstlerischen Tradition zu verlassen?“ Für die Grundsatzbeschlüsse im Landesparlament wünschte sie sich mehr als nur eine Regierungsmehrheit: „Ein solcher Kraftakt braucht einen breiten Konsens“.

Leidenschaftliches Plädoyer für die Oper

Dass keine Zeit verloren werden sollte, machte der Zeitfahrplan deutlich, den der Moderator auf die Leinwand projizierte; demnach könnten Oper und Ballett nicht vor der Spielzeit 2034/35 ihren Betrieb im Littmann-Bau wieder aufnehmen. Bleibt angesichts solcher Spannen überhaupt Luft für die zuletzt von Ministerpräsident Winfried Kretschmann thematisierte Bürgerbeteiligung? „Selbstverständlich“, lautete die Antwort des OB, man lade die Bürgerinnen und Bürger dazu ein, sowohl über Alternativen wie etwa einen Neubau auf dem S-21-Gelände wie auch übers Geld zu sprechen – ansonsten war die in den Raum gestellte Milliarde an dem Vormittag erstaunlich nebensächlich. Kunstministerin Bauer kündigte eine Vielfalt an Beteiligungsformaten und Transparenz an. So wollen Land und Stadt bereits von diesem Montag an auf ihren Internetportalen Info-Material zum Sanierungsprojekt bereitstellen.

Für Wieland Backes wiederum gehört zu einer Bürgerbeteiligung vor allem eines: dass die Sanierung mit „verbindlichen Aussagen zur Aufwertung des Kulturquartiers“ einhergehe. Ein Punkt, auf den auch der Vertreter der Architektenschaft, Wolfgang Riehle, abhob. Mit dem angestrebten städtebaulichen Wettbewerb zur B14 lasse sich zeigen, welchen Mehrwert die Opern-Investitionen den Nutzern wie auch Stadt und Region brächte. „Erst die Stadt, dann das Haus“, argumentierte Riehle und plädierte vehement für ein zweistufiges Wettbewerbsverfahren. Den vielleicht emotionalsten Moment des Vormittags bereitete der Opernintendant Viktor Schoner, den der Moderator, wie auch die beiden übrigen Intendanten, Burkhard Kosminski und Tamas Detrich, zu einer kurzen Positionsbestimmung auf die Bühne holte. Schoner münzte sein Statement zur Notwendigkeit einer Kreuzbühne um – in ein leidenschaftliches Plädoyer für die Kulturtechnik der Oper, die es der jungen Generation ermögliche, „analoge emotionale Geschichten“ zu erleben. „Dafür gilt es zu kämpfen, dafür braucht es eine Kreuzbühne“. Begeisterter Applaus.

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