Bei der Altersfeststellung junger Flüchtlinge will die Landesregierung eine härtere Gangart einlegen. Doch die gängigen medizinischen Methoden haben schon im Fall von Hussein K. nicht zum Erfolg geführt.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Freiburg - Nach dem Urteil im Freiburger Mordprozess gegen den Flüchtling Hussein K. hat der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) politische Konsequenzen gefordert. „Wir brauchen nicht nur ein europäisches Fahndungs-, sondern auch ein europäisches Strafregister“, erklärte der CDU-Politiker. Bisher sind nur Einzelzugriffe auf die nationalen Datenbanken möglich. Erneut kritisierte Strobl, dass die griechischen Behörden Hussein K. lediglich national und nicht zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben hatten. Die Versäumnisse seien mit den dort zuständigen Stellen noch zu besprechen, kündigte er an.

 

Hussein K. war bereits zweieinhalb Jahre vor dem Sexualmord an der Freiburger Studentin Maria L. im Jahr 2014 auf Korfu wegen versuchten Mordes an einer jungen Frau zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt worden. Als er wegen einer Amnestie nach 20 Monaten freikam, tauchte er unter und reiste nach Deutschland weiter. Die Griechen verzichteten aber darauf, europaweit nach ihm zu suchen. „Man kann niemandem vermitteln, dass ein angeblich minderjähriger Flüchtling, der eine solche Straftat begangen hat und dann seinen Meldeauflagen nicht nachkommt, nicht zur internationalen Fahndung ausgeschrieben wird. Wäre das geschehen, wäre er aufgefallen.“

Strobl: Mehr Sorgfalt bei der Altersfeststellung

In diesem Zusammenhang forderte der Innenminister, jeden unbegleiteten minderjährigen Ausländer (Uma) erkennungsdienstlich zu behandeln. Baden-Württemberg gehe dieses Thema konsequent an. Zudem müsse sorgfältiger untersucht werden, wer minderjährig sei und wer nicht. Dazu müssten in Zweifelsfällen alle Methoden der Altersfeststellung, also auch die umstrittene Röntgenuntersuchung des Handwurzelknochens herangezogen werden. Sie wird üblicherweise beim Kampf gegen Kinderprostitution eingesetzt, weil sie gut zeigt, ob es sich bei einer jungen Zwangsprostituierten um ein Kind oder eine Jugendliche handelt. Bei der Altersklasse der 16- bis 22-Jährigen muss allerdings im Ergebnis mit Abweichungen von mehr zwei Jahren gerechnet werden.

Der Sozialminister Manne Lucha (Grüne) schlug vor, junge Flüchtlinge, die sich konsequent weigerten, an einer medizinischen Altersfeststellung mitzuwirken, automatisch für volljährig zu erklären. Eine Sprecherin des Ministeriums räumte allerdings ein, dass solche unklaren Fälle selten seien. Meist kämen die Jugendämter bei ihren qualifizierten Inaugenscheinnahmen zu klaren Ergebnissen. Laut einer Umfrage des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS) bei den Jugendämtern im Land werden etwa zwei Drittel der Antragsteller als minderjährig anerkannt. Demgegenüber fallen 30 Prozent als Erwachsene aus der Jugendhilfe heraus. In der Regel stehen ihnen keine Rechtsmittel zur Verfügung.

Staatsanwalt ermittelt weiter gegen Wiese

Eine bezeichnende Ausnahme gab es im Landkreis Konstanz. Dort hatte das Jugendamt einen jungen Mann auf der Grundlage einer bereits in der Schweiz erfolgten Handwurzelröntgenuntersuchung auf 19 Jahre geschätzt. Das Gericht hob diese Entscheidung wegen der oben genannten Diskrepanz von zwei Jahren wieder auf. Auch das Freiburger Landgericht hatte im Fall von Hussein K. trotz aller Bemühungen und zweier Gutachten das Alter des Angeklagten nicht genau festlegen können. Es verurteilte ihn schließlich zu lebenslanger Haft, aber nicht als Erwachsenen, sondern als Heranwachsenden.

Hussein K. hatte sich ursprünglich als Minderjähriger ausgegeben. Von der privaten Jugendhilfeorganisation Wiese wurde er bei einer Pflegefamilie untergebracht. Später stellte sich heraus, dass diese Unterbringung nicht genehmigt und auch zu hoch honoriert worden war. Die Ermittlungen gegen Wiese seien noch nicht abgeschlossen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Gegen Mitarbeiter des Jugendamts werde gegenwärtig nicht ermittelt.