Wolfgang Ruck hat sich nicht nur der Chemie verschrieben. Der Professor will die Bürger nun nachhaltig für fairen Handel interessieren.

Ditzingen - Irgendwann war Schluss mit der Arbeit im Labor. Denn letztlich würde niemand ihm, Wolfgang Ruck, dem Professor für Chemie, garantieren, dass die Ergebnisse seines Forschens der Menschheit nicht irgendwann zum Nachteil gereichen würden. Würde die Eigenschaft eines neuen Stoffes dazu taugen, Chemiewaffen herzustellen, oder ein Mittel gegen Krebs zu produzieren? Er würde es vorher nicht wissen„Es bleibt mein geistiges Produkt. Aber ich kann dafür nicht die Verantwortung übernehmen“, sagt Ruck. Anfang der 1970er Jahre zog er die Konsequenz und wurde Umweltchemiker. „Wenn die Naturwissenschaft in der Lage ist, die Erde gegen die Wand zu fahren, dann ist sie auch dazu in der Lage, sie von der Wand wegzukratzen“, formuliert es der 67-Jährige salopp.

 

Verantwortung zu übernehmen für das eigene Handeln ist vielleicht nicht erst seitdem, spätestens aber seit den Tagen im Chemielabor ein zentrales Thema für den gebürtigen Schwaben. So kommt es nicht von ungefähr, dass er die Steuerungsgruppe leitet, die Ditzingen zur Fair-Trade-Stadt machen soll. Das hat sich die Kommune schon vor einigen Jahren vorgenommen. Doch noch hat sie die Auszeichnung nicht, die ihr attestiert, dass sie sich auf allen Ebenen für fairen Handel stark macht.

„Kinder erziehen die Eltern“

Ruck ist über die evangelische Kirchengemeinde zur Steuerungsgruppe gekommen. Sein Ziel: Er will Ditzingen zu keiner Fair-Trade-Stadt machen, die sich nur mit einem schönen Schild an der Rathaustür und dem Titel schmückt. Er will das Bewusstsein für fairen Handeln schaffen. Ob im Kleintierzüchterverein, in dem er auch aktiv ist, oder in Bildungseinrichtungen. „Schulen sind für den Prozess wichtig“, sagt er. Kinder seien schnell für das Thema zu gewinnen „und erziehen die Eltern“, meint der Familienvater aus eigener Erfahrung. Natürlich seien aber auch die Erwachsenen gefordert, er will sie mitnehmen bei diesen Denkprozessen. Dazu gehört für ihn, sie in die Pflicht zu nehmen. Schließlich sei jeder für sein Handeln verantwortlich, sagt Ruck.

Kritik ausschließlich an der Politik ist für ihn deshalb nicht nachvollziehbar. Kritik müsse sich auch der Nichtwähler gefallen lassen. „Sapere aude – das klappt bis heute nicht.“ Zu wenig werde die lateinische Aufforderung, sich seines Verstandes zu bedienen, befolgt. Dafür müsste man schließlich selbst denken, nicht nur „nachdenken, was andere vordenken“. Das aber sei das Problem, da der Mensch nicht bereit sei, für eine übernommene Meinung Verantwortung zu übernehmen.

„Nichts korrumpiert den Menschen mehr als Erfolg“

Ruck, lange Vorsitzender der Jusos im Kreis Ludwigsburg, zudem Chef des Ditzinger SPD-Ortsvereins sowie Stadtrat, ist mindestens ebenso Politiker wie Wissenschaftler. „Ich mag das Exakte, die Dinge, die man rechnen und klar belegen kann.“ In der Wissenschaft gebe es die absolute Wahrheit, im moralisch-politischen Bereich nicht. Sie wenigstens anzustreben, wäre jedoch einen Versuch wert. „Es wäre schlecht, wenn man es nicht einmal versuchte.“ Dass dies ein langer Weg ist, davon ist er überzeugt.

Ruck arbeitet er im Kleinen dafür, Arbeit gibt es genug, solange der wirtschaftliche Erfolg ein höheres Sozialprestige habe als das moralische Handeln. „Der Mensch wird nach seinem Konsum beurteilt.“ Was zähle, sei das große Auto, der teure Mantel. Doch „nichts korrumpiert den Menschen mehr als Erfolg“, sagt Ruck.

Der Mensch werde „konsumgeil“ gemacht, dann aber allein gelassen. Dabei könne doch politisch entschieden werden, ob es bei Hartz IV 50 Euro mehr oder weniger gebe. „Es gibt Dinge, die muss man nicht rechnen.“ Aber es gebe eben auch anderes, das zwingend zu rechnen sei: Der Gründungsdekan der Fakultät Nachhaltigkeit an der Universität Lüneburg forscht derzeit daran, wie sich Wärme speichern lässt.