Hunderte Flüchtlinge gelangen von Bayern mit dem Zug nach Mannheim. Dabei werden sie von Mitgliedern des DRK betreut, unter anderem von Lutz Humbert. Der junge Mann erfährt dabei grenzenlose Dankbarkeit.

Ditzingen - Einmal hat Lutz Humbert nach einer Bahnfahrt von Freilassing nach Mannheim dann doch einen Menschen gebraucht, um über das Erlebte zu reden. Der 22-Jährige hatte im Zug einen fünfjährigen Jungen betreut, der unaufhörlich weinte. Doch das Kind ließ sich nicht beruhigen. Als andere Flüchtlinge übersetzten, erfuhr Humbert vom Vater, dass der Junge vom Flüchtlingsboot aus erlebt hatte, wie seine Mutter ertrank.

 

Sachlich, aber nicht emotionslos, erzählt der 22-Jährige aus dem Ditzinger Stadtteil Hirschlanden, was er im Zug erlebt, wenn er Flüchtlinge nach Mannheim begleitet. Im Strohgäu ist er als Gruppenführer im Notfall für zehn Einsatzkräfte verantwortlich; im Zug nach Mannheim ist der Rettungssanitäter einer im Viererteam des Ludwigsburger DRK-Kreisverbands.

Im Sonderzug nach Mannheim

Über den DRK-Bundesverband und dessen Landesverbände waren die Kreisverbände vor vielen Monaten für die medizinische Begleitung in den Zügen angefragt worden. Die Ditzinger erklärten sich wie kreisweit einige andere Ortsvereine dazu bereit. Seitdem ist der Ludwigsburger Kreisverband für einen Zug pro Woche verantwortlich. Er stellt die Teams zusammen, die sich donnerstags aufmachen. Das Quartett fährt morgens von Stuttgart nach München, wo es in den Sonderzug umsteigt. Die Helfer fahren im leeren Zug nach Freilassing, nehmen dort die Flüchtlinge auf, um gemeinsam mit ihnen nach Mannheim zu fahren. Dort wird die Flüchtlingsgruppe unter anderem auf Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland aufgeteilt.

Auf der mehrstündigen Fahrt von Freilassing nach Mannheim verteilen die vier DRK-Mitarbeiter Lunchpakete und laufen regelmäßig durch den Zug. Schwangere sowie Schwerkranke sind nicht dabei, sie bleiben zunächst in Freilassing. Die Helfer schauen also nach den Männern, Frauen und Kindern; den Familien und alleinreisenden Müttern mit ihren Jungs und Mädchen. Ist der Zug besetzt, sind es 750 Personen. Syrer, Iraker, Iraner, Pakistani, Afghanen, die vor allem eines sind: erschöpft.

Viele klagen über Kopfschmerzen, weil sie zuletzt zu wenig Flüssigkeit aufgenommen haben, weil sie nur „anderthalb Liter an drei Tagen getrunken haben, zudem 80 Kilometer laufen und dabei das Kind auf dem Arm tragen“. Viele sind zudem stark erkältet. Sie haben oft nur, was sie am Leib tragen, „viele mussten aber das letzte Stück schwimmen“. Viele Menschen seien froh, ihre Geschichte zu erzählen, nimmt Humbert wahr. Das Rote Kreuz ist auch in deren Heimat als Schutzsymbol bekannt. „Sie vertrauen uns mehr als den Polizisten“, erzählt Humbert. Mal kommunizieren sie auf Englisch, mal mit Händen und Füßen.

Großes Vertrauen und Dankbarkeit

Die Helfer hören zu, stellen auch zuweilen klar, dass in Deutschland zwar die medizinische Versorgung gut, es gleichwohl keine Möglichkeit gebe, sich die Zähne sofort im Zug richten zu lassen. Sie erklären im Notfall, was sie tun und freuen sich mit einer Mutter, deren fiebriges Kind nach einem Wadenwickel wieder vergnügt ist. Noch immer ist Humbert sprachlos ob der „bedingungslosen Dankbarkeit“, die ihnen entgegengebracht wird. Einmal habe ihm eine Frau gar ihr Getränk angeboten. Dabei hatte er sich nur räuspern müssen. „Sie haben fast nichts und teilen das Wenige.“

So viel Humbert auf den Zugreisen von den „Mitreisenden“, wie er sie nennt, über deren Fluchtgründe erfährt, so wenig erfährt er über ihre Fluchtwege – auch aus Scham, weil mancher Schutzsuchende doch viel für den Schleuser bezahlt hat.

Nach der mehrstündigen Zugfahrt werden die Flüchtlinge in Mannheit aus der DRK-Obhut gegeben. Humbert und seine Kollegen fahren heim – im Auto. Ingersheimer DRK-Mitglieder holen sie ab. „Sie müssen das nicht machen“, erzählt Humbert. Sie kämen trotzdem und ersparten ihren Kameraden damit, im Zweifel im Hotel übernachten zu müssen und somit bei ihrem Arbeitgeber einen zweiten Tag Urlaub beantragen zu müssen.

Der ehrenamtliche Rettungssanitäter Lutz Humbert verdient seinen Lebensunterhalt als Prozessentwickler beim Maschinenbauer Trumpf. Sich an der Hilfsaktion zu beteiligen habe er nie gezögert.