Der 15. Stuttgarter Stiftungstag hat in Ditzingen stattgefunden – weil die Berthold-Leibinger Stiftung seit nunmehr 20 Jahren existiert. Beim Festvortrag erklärt der Milliardärsforscher Thomas Druyen die Gesetze des Gebens.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ditzingen - The rich are different, so lautet eine weit verbreitete Redewendung. Die Reichen, sie sind also irgendwie anders. Um die Frage, wie anders sie sind, hat sich die wissenschaftlichen Forschung allerdings lange nicht gekümmert. Die Überzeugung, dass schon zurecht kommt, wer reich ist, mag dahinter gestanden haben. Dass es also in erster Linie gelte, Armut zu erforschen und so zu bekämpfen.

 

Wenn aber wie beim 15. Stuttgarter Stiftungstag eine nicht unerkleckliche Zahl vermögender Menschen zusammenkommt, geht es natürlich um Geld und was es bewirken kann. Da muss es doch interessant sein, das eigene Tun mal ein wenig sezieren zu lassen, mag sich die „Initiative Stuttgarter Stifter“ (ISS) gedacht.

Die Leibinger-Stiftung besteht seit 20 Jahren

Als Festredner hat sie am Freitagabend den Vermögensforscher Thomas Druyen von der Wiener Sigmund-Freud-Privatuniversität in die Trumpf-Firmenzentrale eingeladen. Dort tagten die Stifter, weil die hier ansässige Berthold-Leibinger-Stiftung des Firmenchefs in diesem Jahr 20 Jahre alt wird. Und weil die Stifter auch zeigen wollten, dass ihre Aktivitäten weit in die Region hineinreichen.

Wie wichtig dieses Tun angesichts des demografischen Wandels ist und noch werden wird, betonte Druyen in seinem Festvortrag, der mit dem Titel „Vermögen und Verantwortung“ überschrieben war. Druyen, der sich als Soziologe der Vermögenskultur und -psychologie verschrieben hat, wies gleich zu Beginn seiner Ausführungen auf eine in Grunde groteske Ambivalenz hin. Bei Fundraisingveranstaltungen beobachte er immer wieder, dass „Dreiviertel der Anwesenden nicht sehr freundlich über die Vermögenden denken, gleichzeitig jedoch ihr Geld wollen“. Druyen sieht das als Ausfluss der Neidkultur, die für viele in Deutschland die einzige Perspektive ist, mit der sie auf Vermögende schauen.

Es gibt 1210 Milliardäre auf der Welt

Wobei der Wissenschaftler einen großen Unterschied zwischen „reich“ und „vermögend“ macht. Die Fakten sind zwar einfach: es gibt 1210 Milliardäre auf der Welt, zwölf Millionen Menschen sind Dollar-Millionär. Aber vermögend ist laut Druyen „nur derjenige, der sein Vermögen auch ausübt und in Gebrauch nimmt“. Nur der könne es wirklich besitzen. Druyen teilt damit den aristotelischen Vermögensbegriff, der Vermögen als das definiert, zu dem der Mensch im Stande ist. Seit der industriellen Revolution habe sich der Begriff gewandelt: Vermögen sei etwas zunehmend Materielles geworden. Druyen macht aus seiner Interpretation des Begriffes kein Geheimnis: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass zum Gelingen einer demokratischen Gesellschaft die Vermögenden sehr wichtig sind.“ Von Bedeutung, das weiß er aber auch, ist dazu eine Begegnung auf Augenhöhe. In dem Beziehungsgeflecht von Stifter-Mittler-Zulieferer- Empfänger spielt viel mehr eine Rolle als nur die Summe, die ein Stifter zur Verfügung stellen will. Diese vier stehen in einem diffizilen Verhältnis aus Tradition, Werten, Familie und jeder Menge Psychologie. Ein Banker oder Rechtsanwalt, der alle Kniffe der Geldanlage und des Stiftungswesens beherrscht, muss noch lange nicht der sein, der das Vertrauen eines Stifters auch wirklich gewinnt.

Gespräche unter Verschwiegenheitsklauseln

Der Forscher Druyen erwirbt sich das in langen Gesprächen, die er nur unter strengen Verschwiegenheitsklauseln führen kann. Aus ihnen weiß er, dass sich Stifter mehr Gedanken über ihre Verantwortung machen als landläufig angenommen. Ihre Vermögen wachsen trotz Krisen exponentiell. Zudem steige die Spendenwilligkeit bei Menschen jenseits des 65. Lebensjahres. Eine Gesellschaft, die sich bemüht, die Grammatik des Vermögens zu verstehen, kann also nur gewinnen. Die Initiative Stuttgarter Stifter hat dieses Jahr 18 neue Mitglieder zu vermelden.