Die Ditzinger Stadträte wollen den berühmten Söhnen und Töchtern des Orts gerecht werden. Wer einer Würdigung würdig ist – darüber lässt sich diskutieren.

Ist es Andreas Renner würdig, dass der Platz vor dem Ditzinger Bahnhof nach ihm benannt wird? Unbestritten ist aus Sicht der Ditzinger Stadträte das positive Wirken des Ehrenbürgers und einstigen württembergischen Finanzministers. Er hatte sich im 19. Jahrhundert anlässlich des Baus der Schwarzwaldbahn dafür eingesetzt, Ditzingen an das Streckennetz der Württembergische Staatseisenbahn anzuschließen.

 

Mit dem Anschluss habe die Industrialisierung in der Stadt eingesetzt. Daher gelte dies „als Keimzelle der wirtschaftlichen Prosperität unserer Stadt“. Mit diesen Worten hatte die Ditzinger CDU-Ratsfraktion vor wenigen Monaten ihren Antrag begründet, den neuen Bahnhofsplatz „Andreas-von-Renner-Platz“ zu nennen. Am Montag beriet zunächst der Ausschuss für Finanzen, Kultur und Soziales – der sich schnell in einer Grundsatzdebatte befand, zumal er in derselben Sitzung über Infotafeln und -stelen für Ditzinger Persönlichkeiten zu entscheiden hatte. Diese sollen auf einen Antrag der Unabhängigen Bürger (UB) an beziehungsweise vor den Geburts -oder Wohnhäusern aufgestellt werden.

Ulrich Steller (Grüne) eröffnete die Diskussion, als er von Renner würdigte. Dieser habe staatskonform gearbeitet. „Was ich vermisse, ist eine persönliche Strahlkraft.“ Es sei „keine offenkundige Message dabei“. Renner habe sich nicht für andere eingesetzt, diene anderen auch nicht in besonderer Weise als Vorbild. Bahmer erwiderte, dass Renner „Ehrenbürger wurde, spricht nicht gegen ihn“. Man könne heute nicht beurteilen, was er für eine Person gewesen sei.

UB-Chef Dieter Schnabel reagierte im weiteren Verlauf der Diskussion über die Söhne und Töchter der Stadt verärgert über die ausschließliche Bewertung aus heutiger Sicht. „Das muss man alles in der Zeit sehen, nicht aus der Sicht von heute“, sagte er an SPD-Fraktionschefin Sabine Roth gewandt. Sie hatte ihre Bedenken zu Renner geäußert.

Solange Personen wie „Hindenburg es noch wert sind“, dass Straßen nach ihnen benannt würden, „muss man über von Renner nicht diskutieren“, so Schnabel. Er kündigte bereits einen Antrag auf Umbenennung der im Ortsteil Heimerdingen gelegenen Hindenburgstraße an. Reichspräsident Paul von Hindenburg hatte im Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.

Ulrike Sautter (Grüne) indes erinnerte daran, dass nicht nur Renner Ehrenbürger sei, sondern beispielsweise auch der 2018 verstorbene Berthold Leibinger. Laut Bürgermeister Ulrich Bahmer (CDU) ist die Stadt bereits mit der Familie im Gespräch, den Platz vor dem neuen unternehmenseigenen Ausbildungszentrum nach dem langjährigen Trumpf-Chef zu benennen.

Deutliche Empfehlung des Fachausschusses

Letztlich empfahl der Ausschuss dem Gemeinderat mehrheitlich einerseits, den Platz vor dem Bahnhof nach Andreas von Renner zu benennen. Des Weiteren sollen Konrad Kocher, der Maler Erwin Starker, Widerstandskämpfer Karl Siegle, Flugpionier Karl Feucht, Ornithologe Theodor von Heuglin sowie der Intendant der Hohen Karlsschule, Christoph Dionysius von Seeger, mit einer Tafel gewürdigt werden – da wo dies nicht möglich ist, soll eine Stele stehen. Ob Stele oder Tafel: Sie werden die von SPD und Freien Wählern ausdrücklich angesprochenen kritischen Würdigung der Lebensleistung enthalten. Der Ausschuss betonte, die Liste der zu würdigenden Töchter und Söhne der Stadt fortführen zu wollen.