Das Ehepaar Achi aus Ditzingen ist zwei Wochen in Syrien gewesen. Die Eindrücke, die Achis von dort mitgebracht haben, sind ambivalent: Einerseits deutet an der Westküste, der Heimatregion von Jacques Achi, nichts auf Krieg hin. Dennoch ist er stets präsent.

Ditzingen - Lange hatte Sigrid Achi mit sich gerungen: Soll sie wirklich nach Syrien fliegen? Seit Krieg ist, gibt es eine Reisewarnung für das Land am Mittelmeer. Für die Deutsche war die Reise mit einer weiteren Gefahr verbunden: Weil sie als Europäerin erkennbar ist, könnten Entführer mit ihr Geld erpressen wollen.

 

Letztlich folgte sie ihrem Mann Jacques in dessen Heimat. Nach zwei Wochen an der Westküste kehrte sie nun mit ambivalenten Eindrücken zurück. „Man merkt nicht, dass Krieg ist“, sagt sie über Dahr-Safra. Der Heimatort ihres Mannes liegt knapp 170 Kilometer von Aleppo entfernt, 180 von Damaskus, 30 von der Hafenstadt Tartus. „Flüchtlingslager sind nicht erkennbar, aber es gibt sie. Auch die Armut fällt nicht ins Auge, aber es gibt sie, wenn man das Leben vorher gekannt hat.“

Die letzte Reise liegt sieben Jahre zurück

Vor sieben Jahren war Sigrid Achi mit ihrem heute 81-jährigen Mann Jacques zuletzt in dessen Heimat gewesen. Sigrid Achi hatte sich für die neuerliche Reise entschieden, wenn auch mit Respekt. Der wandelte sich in Beklemmung, als sie ins Flugzeug stieg, „Ich habe mir gesagt: jetzt hilft nur noch beten.“

Doch die Beklemmung war spätestens weg, als es am nächsten Morgen hell wurde. In Tartus entstehe ein Stadtteil für junge Familien, erzählt Sigrid Achi. Der Staat baut. Nichts bei dieser rasanten Entwicklung deute zunächst auf Krieg und Zerstörung hin, erzählt Achi. Doch ist der Krieg auch in dieser Region präsent. „Die Verarmung hat so ungeheuer zugenommen.“

Das erklärt ihnen zufolge auch, warum viele Gebäude der Investoren im Rohbau ruhen. Viele begannen mit Bauen, als die Menschen aus den umkämpften Regionen an die vergleichsweise ruhige Westküste flohen. Inzwischen aber fehlt auch den Bauherrn das Geld.

In den Küstenprovinzen Latakia und Tartus – sie sind seit Beginn des Bürgerkriegs in den Händen von Regimekräften – leben viele Alawiten, eine Religionsgruppe, der auch der syrische Machthaber Baschar al-Assad angehört. Aber dort leben eben auch Flüchtlinge, die aus anderen Landesteilen zu Angehörigen geflohen waren.

Deutlich wurde die Armut auch bei den Besuchen bei Familie und Freunden. Gastfreundschaft werde immer noch groß geschrieben. Doch die Mahlzeiten seien deutlich bescheidener, erzählt das Ehepaar. Statt der Weinblätter mit Reis und Fleisch gab es beispielsweise die Version, die der Fastenzeit vorbehalten ist. „Seine Schwester war ganz glücklich, als er mit ihr zum Metzger ging, um Fleisch für Kibbeh einkaufen konnte“, erzählt Sigrid Achi. Kibbeh, den Fleischküchle ähnlich, hatte Jacques Achis Schwester seit einem Jahr nicht gegessen. Jacques Achi kaufte mehr, sodass seine Schwester einiges vom Lieblingsessen der Syrer an die Verwandten weitergeben konnte. „Die Renten werden zuverlässig ausbezahlt, sie wurden in den letzten Jahren vervierfacht“, schildert Sigrid Achi die Situation. „Doch die Preise sind um das Zehnfache gestiegen.“ Der Wertverlust der syrischen Lira führte zu dieser immensen Preiserhöhung. Ein Schulrektor verdient monatlich 30 000 Lira, also rund 50 Euro. Ein Pfund Kaffee – „und die Syrer trinken viel Kaffee“, sagt Jacques Achi – kostet 1500 Lira, ein Kilo Huhn 2000 Lira, ein Kilo Rind bis zu 5000 Lira. Ein schlichtes T-Shirt gibt es für 4500 Lira.

Manches bleibt gleich

Vieles hat sich verändert in der Heimat von Jacques Achi. Eines aber sei gleichgeblieben, erzählen beide: Man redet nicht über Politik. Nicht auf offener Straße, nicht in der Familie. Die Angst sei zu groß, verleumdet zu werden. Positiv beeindruckt hat sie hingegen die Hilfsbereitschaft der Menschen untereinander. Die Achis schicken in die Region regelmäßig Geld, das es etwa in der Katholischen Kirchengemeinde Ditzingens gesammelt hat. Nun, bei ihrem Besuch, wurde ihnen von mehreren Familien berichtet, die früher Geld von den Ditzingern erhielten, jetzt aber von ihrer inzwischen im Ausland lebenden Verwandtschaft unterstützt werden. „Sie versorgen ihrerseits andere Familien mit.“

Mit ambivalenten Eindrücken kam Sigrid Achi zurück. Die Furcht vor einer erneuten Reise dorthin ist hingegen verflogen. Die nächste Reise soll nicht erst in sieben Jahren sein. Der Respekt aber bleibt.