Der Ditzinger Innenarchitekt Rudolf Schricker rückt bei seiner Arbeit den Mensch als soziales Wesen in den Fokus. Auch deshalb hat die Stadt ihn geehrt. Zu seiner Leidenschaft, dem Kochen, zieht Schricker Parallelen.

Ditzingen/Stuttgart - Zum Beispiel der graue Stuhl. Den hat der Ditzinger Innenarchitekt Rudolf Schricker vor sechs Jahren einer Mitarbeiterin mit Rückenproblemen gekauft. Der Stuhl sei so flexibel, dass er sich dem Körper anpasse. Also auch seinem. „Man macht darauf automatisch, was einem guttut“, sagt Schricker, während er sich – zu Demonstrationszwecken – auf dem Stuhl biegt, beugt, dreht. Der Mann, der Ruhe und Bestimmtheit ausstrahlt, grinst dabei.

 

Jener Stuhl in Schrickers Atelier in Stuttgart-Feuerbach – in Ditzingen hat er ein kleines Büro – verdeutlicht seine humanorientierte Gestaltungsphilosophie. Der 62-Jährige rückt bei seiner Arbeit den Mensch als soziales Wesen in den Fokus. „Das Ziel von Innenarchitektur ist, dass der Mensch sich wohlfühlt und dass sie ihm hilft.“ Um auf die Bedürfnisse einzugehen, sei Empathie nötig. Ein Gespür dafür, wann ein Mensch Freude und wann Leid empfindet. Auch Kollegen aus anderen Disziplinen hätten ihm stets auf seinem „menschlichen Gestaltungstrip geholfen“. Bestenfalls entsteht dann etwas, das viele verschiedene Menschen nutzen können. Wie der Stuhl.

Sonne wird simuliert

Schricker ist bundesweit einer der wenigen Innenarchitekten mit diesem Ansatz. Auch deshalb hat die Stadt Ditzingen ihn Mitte November als Kulturschaffenden geehrt. „In der Gestaltung tun wir alles, damit Menschen in entspannte Situationen kommen“, sagt Schricker. Es sei erwiesen, dass man so motivierter sei, mehr Spaß am Leben habe und auch schneller gesund werde. Licht etwa bewirke viel, nicht nur therapeutisch.

In immer mehr Altenheimen simuliert biodynamisches Licht die auf- und untergehende Sonne: Morgens regt ein Blau das Glückshormon Serotonin an, abends macht ein Rotton müde, weil die Farbe die Produktion des Schlafhormons Melatonin steigert. „Auch Kindergärten setzen solches Licht ein, damit die Kinder Mittagschlaf machen“, sagt Schricker.

Helfende Innenarchitektur bezeichnet Schricker als „Zukunftsmelodie“, denn die Denkweise verbreite sich erst allmählich. An der Hochschule Coburg, wo Schricker als Professor an der Fakultät Design lehrt, experimentiert er seit 2002 mit Studenten auf dem Gebiet und stellt Prototypen her – an der Entwicklung der biodynamischen Beleuchtung war er vor 15 Jahren beteiligt. „In Coburg kann ich mein eigenes Lehrkonzept entwickeln, das ist toll“, sagt Schricker, der aktuell auch am Patientenzimmer der Zukunft forscht. Geht es nach ihm, erscheint etwa an der Wand hinter dem Bett künftig der Gesundheitszustand des Patienten. Oder aber es ist selbstverständlich, dass sich Hotelzimmer, ausgestattet mit Sensoren, nach den Bedürfnissen der Gäste richten. Dazu arbeitet Schricker mit dem Hotelkompetenzzentrum in Oberschleißheim zusammen. Die Digitalisierung und Technologien erleichterten viele Entwicklungen, sagt er.

Ungern im Rampenlicht

Wenn Rudolf Schricker über seine Arbeit spricht, sprudeln die Worte aus ihm heraus. Gleichwohl ist er ein Mann, der, wie er sagt, ungern im Rampenlicht steht. Trotz seiner Bekanntheit in der Branche scheint er bodenständig, bescheiden. Wohl mit ein Grund, warum nur wenige Ditzinger die Arbeit des Vaters von zwei Söhnen kennen. Dabei wirkte er unter anderem bei der Gestaltung des Ludwigsburger Forums, der Liederhalle in Stuttgart und des Flughafens Berlin-Schönefeld mit. Sein Büro in Ditzingen nennt er dann auch „publizistische Höhle“, weil er dort Bücher schreibt. In den vergangenen 30 Jahren 17 an der Zahl.

Schricker hat so viel erreicht, dass er inzwischen auf seine Art den Menschen hilft. Indem er im Rahmen von Studienprojekten günstig Kindergärten umplant oder sein Wissen weitergibt. „Solange ich junge Menschen motivieren und begleiten kann, gehen mir die Ideen nicht aus“, sagt Schricker. Bleibt dann noch Zeit, kocht er gern. Zumal diese Leidenschaft und das Entwerfen einiges gemeinsam hätten: Auch als Koch müsse er sich auf den Gast einstellen.