Oskar Dietz hat eine Idee – und alle seine Geschäftskunden sind hellauf begeistert. Er verzichtet auf Weihnachtsgeschenke und stiftet stattdessen einem Mukoviszidosekranken eine Heilkur.

Ditzingen - Eigentlich war Oskar Dietz (55) nur auf der Suche noch einem kleinen Metallteilchen, einen Anschlag für eine Schlagschere. Aber das zu finden, war gar nicht so leicht, denn das Teil ist zwar klein, aber Dietz hatte genaue Vorstellungen, wie es aussehen sollte. Irgendwann hatte der als Handelsvertreter und gleichzeitig als selbstständiger Unternehmer unterwegs ist, das Gefühl, auf der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen zu sein. Er berichtete mal dem und mal jenem von seinen Nöten - und bekam doch noch den entscheidenden Tipp. Er fragte sich durch und traf auf Jochen Streicher. Dass die Begegnung für beide so viel in Bewegung setzen würde, ahnte da noch niemand.

 

Zunächst war Jochen Streicher nur der Mann, der genau das herstellen konnte, was Oskar Dietz brauchte. In seiner Garage hat der gelernte Mechaniker eine Werkbank stehen. Mit ihr fertigt er nach den Vorgaben das fehlende Teil. Und dabei hätten die beiden es bewenden lassen können. Doch aus der Bekanntschaft wurde über die Jahre ein Freundschaft, ein Geben und ein Nehmen. Jochen Streicher ,kam es sehr gelegen, ab zu zu für den Unternehmer kleine Aufträge erledigen zu können. Seinen erlernten Beruf kann er schon lange nicht mehr ausüben. Mit 32 Jahren wurde der 44-Jährige berufsunfähig wurde, weil er an Mukoviszidose leidet. Und für Oskar Dietz war der Mann einer, der aus seiner Krankheit kein Geheimnis machte und ihm Einblicke in eine Welt gab, die dieser so noch nicht kennengelernt hatte: in die Welt eines chronisch Kranken, der jeden Tage gegen die Atemnot kämpfen muss, weil im der Schleim die Lunge verklebt.

Aus eine Bekanntschaft wurde eine Freundschaft

Die beiden gingen miteinander hin und wieder mal ein Bier trinken. Wie das eben so ist, wenn aus Bekanntschaft Freundschaft wird. Als sie sich besser kannten, wagten sich sie auch auf zusammen mit Dietz’s Familie auf einen Fluss, um sich im Canyoning des Wasser auszusetzen.

Denn Jochen Streicher aus Nürtingen ist keiner der gerne jammert. „Manchmal“, sagt Mann bescheiden, der regelmäßig die Erwachsenenambulanz auf der Gerlinger Schillerhöhe aufsuchen muss, „ist man schon froh, wenn sich der Gesundheitszustand nicht verschlechtert.“ Dann ist Stillstand schon ein Triumph über das Schicksal. Manchmal habe er das Gefühl, jemand schnüre ihm den Hals zu und nehme ihm die Luft zum Atmen. Besonders schlimm sind für Mukoviszidosekranke die feucht-kalten Winter. Dann schlagen die Infektionen zu, dann leidet die eh schon angegriffene Lunge noch mehr als in der warmen Jahreszeit. All das lernte Oskar Dietz in den zurückliegenden Jahren.

In der Vorweihnachtszeit wurde die Idee geboren

Und dann kam wieder die Vorweihnachtszeit, wo er sich der Handelvertreter überlegte, ob er wie in den Vorjahren seinen Kunden wieder einen persönlich gravierten Kugelschreiber oder Taschenrechner schenken sollte. Eigentlich wollte er das nicht. Aber er hatte auch keine andere Idee. Und wieder kam es zu einer schicksalhaften Begegnung. Auf einer Fortbildung traf er auf einen Kollegen, der davon erzählte, wie in Amerika Krebskranke ihr Leiden bei Marathonläufen zum Thema machen und so bei den Läufen Geld zusammenbringen. Mit am Tisch saß auch Manfred Schröder von der Mukoviszidose-Hilfe. Zufällig, weil es als Referent eingeladen war. Eine Idee war geboren. Wie wäre es, dachte sich Dietz, wenn ich statt den Geschenken für andere Jochen Streicher, ein ganz besonders Geschenk machen würde: die Überwinterung auf den kanarischen Inseln, wo das Klima in dieser Zeit angenehm ist. Er wusste auch : Heilkuren wie diese sind für die Betroffenen nur schwer finanzieren.

ETA, die Firma für die Dietz durch Süddeutschland reist, war einverstanden mit der Umwidmung des Geschenketats: aus Kugelschreibern wurden ein ideelles und zu gleich viel größeres und wertvolleres Geschenk. Dietz unterrichtete seine Kunden in der Weihnachtspost, dass sie dieses Jahr durch den Verzicht auf Geschenke die Heilkur Jochen Streichers finanzieren. Die Resonanz war überwältigend. Die Männer und Frauen, die sonst um jeden Cent feilschen, damit ihre Bilanzen möglichst viel Rendite abwerfen, waren begeistert von der Idee. Als hätten sie nur darauf gewartet, Teil dieses im Grunde sehr simplen Projektes mit großer Wirkung sein zu dürfen. Als hätten sie endlich mal eine andere Seite von sich zeigen wollen.

Eine Idee, durch die alle gewonnen haben

Am 1. März ist Jochen Streicher von den Kanaren zurückgekommen. Die Wochen haben ihm gut getan. „Ich wüsste nicht, wie es mir heute ohne diese acht Wochen gehen würde“, sagt er. Und dann fügt er noch an – und er weiß gar nicht, wie er sagen soll, ohne allzu pathetisch zu werden: „Wahrscheinlich hat mir Herr Dietz ja das Leben gerettet“. Dabei hat der sich nur, wie er sagt, selbst eines der schönsten Weihnachtsgeschenke gemacht. Weil er ein Idee hatte und an sie glaubte.