14 Bands, 12 Locations – das war Ditzingen unplugged 2016 am Samstagabend. Mit zwei Shuttlebussen pendelten bei der 6. Auflage rund 700 Nachtschwärmer von Kneipe zu Kneipe, von Band zu Band. Geboten war Klassikrock, Country, Pop, Soul, vor allem Bekanntes aus 50 Jahren Popmusik, hie und da auch Selbstkomponiertes der Musiker. Um 3 Uhr verklang im Bauhof der letzte Akkord.

Ditzingen - Wehe, wenn sie losgelassen. Dann rocken (nicht nur) in Ehren ergraute Mittfünfziger bis zum Morgen. Im Bauhof ist nach drei Bands am Sonntag um 3 Uhr Schluss gewesen. Klassikrock, teils witzig ins Schwäbische umgedichtet, Country, bekannter Pop, selten eigene Stücke und ein bisschen Literatur – zwölf Bands verteilt auf 14 Kneipen boten bei Ditzingen unplugged einen Musikmix, mit dem man kaum danebenliegen kann.

 

Musikalisch startet der Abend aus Anlass des 50-Jahr-Stadtjubiläums mit einer extra Einlage der Band Groovy D & The Others. Nach den Unwettern des Wochenendes findet diese aus Sicherheitsgründen nicht draußen, sondern in der Stadthalle statt. Schlagzeug, Gitarre, Bass – Südstaaten-Bluesrock. Sänger Philipp Stiegler röhrt, als gurgelte er täglich mit Whiskey. Fehlen nur Bärte à la ZZ Top. Nicht mit Whiskey gegurgelt hat Gitarrist Andy von der Gerlinger Coverband R.E.A.C.H., der aber im Café Maute auch ohne Bart den „Sharp Dresses Man“ schwungvoll genug rüberbringt, dass es auch das gesetztere Publikum nicht beim sachten Wippen mit dem Fuß belässt.

Den Höhepunkt erleben jene, die den Bus am Jugendhaus verlassen. Die nicht alltägliche Kombination, Frau am E-Piano wird begleitet von Frau am Schlagzeug, bietet Elektropop, Soul, Jazz und eine Prise Funk auf erstaunlichem Niveau. Verena Köder alias Lia Reyna und ihre Rhythmusfrau Marion M. Wetzel haben als Duo schon in Disneyland in Paris gespielt. Lia Reyna ist studierte Musikerin, lebt in Burgstetten (Rems-Murr-Kreis) und versucht von ihrer Musik zu leben. „In die Produktion meines Albums ,Colour Jam‘ habe ich meine ganzen Ersparnisse investiert.“

Das Publikum kämpft teils ebenfalls nach dem Motto „Alles oder nichts“ durchs Programm. „Wir probieren jede Location aus“, sagen Brigitte Walter (um die 50) und Julia Jesse (um die 30). Sie haben Herrn Caputo mit seiner akustischen Gitarre im Alten Holzwichtel „supertoll“ gefunden und wollen weiter ins Musikerheim zur Coverband Mojo and Sons. Als sie den Holzwichtel gegen halb elf verlassen, treffen ein paar junge Männer ein, die noch Appetit auf einem Rostbraten verspüren. Wer’s mag . . . Andere sparen sich den Stress, stets rechtzeitig am Bushalt zu stehen, und bleiben lieber, wo sie sind. Zum Beispiel Akustik-Fan Guntram Heber aus Stuttgart in der Stadtbibliothek: „Hier kommt man vom Stress der Woche runter.“ In der Bibliothek mischt das Trio Die Mobilettes musikalisch leise Töne – etwa von Nick Cave („Where the Wild Roses Grow“) – mit Texten von großen Dichtern wie Heinrich Heine und Eduard Mörike.

Shuttle-Pech haben Erika und Detlev Haider. Dreimal verlassen sie den Bus, dreimal treffen sie Bands in der Pause an. „Jetzt bleiben wir hier“, sagen sie. Im Bistro Why Not? greift Fast Eddy wieder zur Klampfe.

Shuttle-Glück widerfährt zweien, die kaum voneinander lassen können. Weil sie ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, nennen wir sie Karin und Paul. In der Musikkneipe Cozy’s sind sie sich begegnet, fanden sich „total supernett“ und ziehen seitdem ohne ihre Bekannten weiter. Ditzingen unplugged taugt auch als Flirtbörse.

Unplugged bedeutet frei ins Schwäbische übersetzt ausgestöpselt. Keiner der Musiker kommt aber ohne Stromverstärker aus. Weil selbst der Musiksender MTV bei seiner „Unplugged“-Reihe schummelt, ist diese kleine Unschärfe im Etikett verzeihlich.

Die Zukunft bringt Ditzingen weitere Musiknächte. 8000 Euro koste die Veranstaltung, diese seien weitgehend vom Verkauf der rund 700 Einlassbändchen gedeckt, sagt der Organisator und Stadtjugendpfleger Roger König, „und zwei neue Locations haben für 2017 ihr Interesse bekundet“. Beate Meinck wird dann fehlen: Die scheidende Leiterin der Stadtbibliothek betreute an ihrem letzten Arbeitstag letztmals das Unplugged-Programm der Bücherei.