Die fünfte Musiknacht Unplugged zieht viel Volk in zwölf Locations in Ditzingen. In jeder Kneipe ist die Stimmung auf andere Art besonders. Richtig leise geht es aber nirgends zu. Höchstens ein bisschen stimmungsvoller als nur volles Rohr Rockmusik.

Ditzingen - „Proud Mary“, „Honky Tonk Woman“, „Ring of Fire“ heißen die Titel – ob CCR (für Nachgeborene: Creedence Clearwater Revival), die guten alten Rolling Stones oder Johnny Cash – alle sind sie in der Nacht zum Sonntag in Ditzingen zugegen. Zwar nicht live, was einer Sensation gleichkäme, sondern nur mit ihren Songs. Mittels derer aber lassen Musiker aus der Region mit großer Begeisterung die guten alten Zeiten aufleben. Aber nicht nur Rock und Pop, nicht nur die Sechziger und Siebziger beherrschen die Bühnen und die zwölf Kneipen beim fünften „Ditzinger Unplugged“. Da hört man auch (imitierte) bayerische Liedermacherlaute, so etwas Ähnliches wie Klezmer, schottisch-keltischen Country – eben fast alles außer Volksmusik und Roy Black.

 

Verstärker Unplugged bedeutet „nicht eingesteckt“, was auf den Stecker des Verstärkers hinweist – beim „Ditzinger Unplugged“ aber verzichtet kein Musiker auf Hilfsmittel. Sonst gingen sie angesichts des Redebedarfs des Publikums hoffnungslos unter. Mit natürlichen Instrumenten immerhin spielt zum Beispiel die Mr. Big Band im Trachtenverein, mit Geige, Gitarren, Banjo und Kontrabass. Die Geige nennen sie „Fiddle“ – das weist schon den Weg zum Klezmer oder ins Amerika der Siedler. Feine akustische Musik sei das, sagt die Band, „man kann uns schlecht in eine Schublade stecken“.

Bauhofhalle ersetzt den Güterschuppen

Die Nachfolgerin Das Kontrastprogramm dazu erklingt im Bauhof – volles Rohr Rockmusik. Keine Spur von ausgesteckt. Da dauert die Party bis zum frühen Morgen, und sich vor der Bühne zu unterhalten, ist unmöglich. Aber wie heißt es so schön: Ist es zu laut, biste zu alt. Die Location ist in puncto Atmosphäre eine würdige Nachfolgerin des mittlerweile abgerissenen Güterschuppens. Blinkende Absperrlampen weisen den Weg.

Laufen oder fahren Ein Teil des Faibles einer Musiknacht macht auch das umherziehende Publikum aus. Vom Bauhof bis zum entferntesten Punkt der Kernstadt im Glemstal ist es eine Dreiviertelstunde Fußmarsch – oder zehn Minuten mit dem Bus.

Ehrenrunde Peter Lachner, Busfahrer mit sonnigem Gemüt, steuert eines der beiden Shuttlefahrzeuge durch die Stadt. Ansonsten im Reisebus in Europa zu Hause, beherrscht er den Ditzinger Rundkurs wie im Schlaf – und weil die ersten Fahrgäste tolle Stimmung mitbringen, dreht er eine Extrarunde im Feuerwehrkreisel. Wer will, bekommt auch ein Bier. Dazu das Bordradio – fertig ist der Partybus.

Zahlen Der Vorverkauf sei nicht so gut gelaufen wie in den Jahren zuvor, meint Roger König vom Kulturamt – kein Wunder angesichts der Leonberger Musiknacht, des Handball-Abstiegsspiels in Ditzingen, des VfB-Spiels und des letzten Frühlingsfest-Wochenendes in Cannstatt. Dafür liefert er am Abend Eintrittsbändel nach.

Musik und Publikum aus den Fünfzigern

Gleiches Alter Viel Musik kommt aus den Fünfzigern und Sechzigern – wie das Publikum. Grau- oder nicht mehr haarig (die Herren) oder gut vertuscht (die Damen), verstehen sie es aber immer noch, so ausgelassen wie die Jungen zu sein. Die feiern am Laien oder am Bahndamm.

Textreich Eine Bibliothek ist die Stätte vieler Worte – an diesem Abend ist sie auch der Ort vieler Melodien. Das Feierabendkollektiv um Albert Schnauzer bietet nicht nur Amüsant-Bayerisches. „Bibliothekarin ist ein abwechslungsreicher Beruf“, sagt die Chefin Beate Meinck lachend, als sie einem Gast ein Bier zapft. Abwechslung verschafft auch das Regalerücken. Und auch ausgemusterte Brockhausbände bringen Erleuchtung – mit Batterielämpchen.

Entfesselt Kaum auf der Bühne, sondern dank kabelloser Mikros und Gitarren meist mitten im Publikum und im Café, stehen die Musiker der Band Good Old Music. Diese Integration trägt zur Stimmung bei. Da strahlt nicht nur der Wirt.