Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, rügt Konzerne wie den Autobauer Daimler, die trotz massiver Kurzarbeit Dividenden an die Aktionäre ausschütten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Kritik daran hatte es schon vorher gegeben. Nun wendet sich auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) gegen die Praxis von Konzernen wie Daimler, die hohe Dividenden an die Aktionäre ausschütten, obwohl sie stattliche Summen für Kurzarbeit im Unternehmen erhalten haben. „Das ist gesetzeskonform“, aber es habe „schon ein gewisses Gschmäckle“, rügte BA-Chef Detlef Scheele gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. „Für seinen Ruf ist aber jedes Unternehmen selbst verantwortlich.“

 

Daimler-Finanzchef Harald Wilhelm hatte derartige Kritik bereits zurückgewiesen: Man nutze die Kurzarbeit wie viele andere Unternehmen auch, um Arbeitsplätze zu sichern. Zudem stamme das Kurzarbeitergeld aus Sozialbeiträgen, die jeweils zur Hälfte vom Arbeitgebern und den Beschäftigten gezahlt würden. Daher sehe man keinen direkten Zusammenhang zwischen Kurzarbeitergeld und Dividende, so der Finanzvorstand. Derzeit nutzt Daimler die Kurzarbeit vor allem in den Werken Sindelfingen und Bremen wegen des Halbleitermangels.

6000 Hinweise auf möglichen Missbrauch

Scheele sprach sich zudem dagegen aus, den erleichterten Zugang zur Kurzarbeit über das Jahresende hinaus zu verlängern. „Am 31.12. sollte damit Schluss sein, was die erweiterten Leistungen betrifft“, sagte er.

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Wie schon zuvor die Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg bekannte er, dass es Missbrauch und Betrug bei der Kurzarbeit gebe. „Wir haben bisher insgesamt etwa 6000 Hinweise auf möglichen Missbrauch und wir gehen jedem Fall nach.“ Wegen eines Anfangsverdachts seien 133 Fälle an Polizei und Staatsanwalt gegeben worden. Die Zahlen zeigten aber: „Betrug und Missbrauch sind kein Massenphänomen.“

Auf Heller und Pfennig gelohnt

Die Bundesagentur hat früheren Angaben zufolge mehr als 50 Milliarden Euro seit Ausbruch der Pandemie für das Kurzarbeitergeld und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen ausgegeben – Baden-Württemberg hat mit knapp zehn Milliarden Euro einen relativ hohen Anteil daran. Die Kurzarbeit habe sich „auf Heller und Pfennig gelohnt“, sagte Scheele. Sie nehme ab, und auch die Arbeitslosigkeit sinke. „Gäbe es Zombiefirmen, die nur dank Kurzarbeit überleben, müsste stattdessen die Arbeitslosigkeit steigen“, so der BA-Chef. „Das passiert nicht.“ Wegen der Transformation wäre es aber gut gewesen, die Unternehmen dabei stärker für Qualifikation zu gewinnen.

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