Nach Meinung der Forscher vom DIW verbessert eine flächendeckende Lohnuntergrenze von 8,50 Euro die Einkommenssituation von Geringverdienern kaum. Kleine Betriebe müssten jedoch mit höheren Personalkosten rechnen.

Berlin - Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt vor arbeitsmarktpolitischen Experimenten mit einem einheitlichen Mindestlohn. In einer Studie kommt das DIW zum Ergebnis, dass die Politik bei der Festsetzung von Lohnuntergrenzen Vorsicht walten solle. Die Wissenschaftler untersuchten, wie ein einheitlicher Mindestlohn von 8,50 Euro wirkt, der von Gewerkschaften, der SPD und den Grünen gefordert wird. Die Linke verlangt einen Mindestlohn von zehn Euro. Das DIW stellte fest, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro die Einkommenssituation von Geringverdienern kaum verbessert. Zugleich führten starre Lohnuntergrenzen bei Kleinbetrieben zu deutlich höheren Personalkosten. Viele Geringverdiener arbeiteten im Handel, der Gastronomie, in Telefonzentralen und der Gebäudereinigung. Unternehmen aus diesen Branchen könnten wegen steigender Kosten zum Abbau von Arbeitsplätzen gezwungen sein, argumentieren die Forscher.

 

Der Studie ist die Aufmerksamkeit der Politik sicher, da Mindestlöhne in den anstehenden Koalitionsverhandlungen eine große Rolle spielen. Im Falle einer Großen Koalition dürfte die SPD auf ihrer Forderung beharren, wonach ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt werden soll. Die Union spricht sich dagegen für Mindestlöhne aus, die sich je nach Branche unterscheiden. Flächendeckende Lohnuntergrenzen hält das DIW für riskant. „Ein Mindestlohn von 8,50 Euro ist eine zu starke Dosis“, sagte der Arbeitsmarktexperte Karl Brenke. Da es zwischen Ost und West sowie zwischen den einzelnen Branchen große Unterschiede gibt, empfiehlt das DIW der Politik ein Herantasten an einen Mindestlohn. Der DIW-Forscher Brenke hält einen Mindestlohn von sieben Euro für vertretbar.

Mindestlohn bedeutet nicht gleich Einkommenssteigerung

Das DIW meint, ein Mindestlohn werde in vielen Fällen kaum zu Einkommenssteigerungen bei den Betroffenen führen. Die Ökonomen begründen dies damit, dass die Empfänger von Mindestlöhnen mehr Steuern zahlen müssten und Sozialtransfers wegfielen. Die Zahl der sogenannten Aufstocker, die neben einem geringen Erwerbseinkommen vom Staat noch Arbeitslosengeld II erhalten, werde sich aller Voraussicht nach kaum ändern. Nach DIW-Berechnungen liegen die Durchschnittslöhne von Aufstockern heute schon über 8,50 Euro in der Stunde.

In vielen Fällen erhält dieser Personenkreis nicht wegen geringer Erwerbseinkommen Arbeitslosengeld II, sondern weil beispielsweise ein Geringverdiener mehrere Familienmitglieder versorgen muss. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro ändere wenig daran, dass viele Haushalte künftig auf Arbeitslosengeld II angewiesen blieben. Nach DIW-Angaben müssten bei Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro 5,6 Millionen Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung erhalten. Davon seien 40 Prozent Vollzeitbeschäftigte. Weitere 40 Prozent entfielen auf Minijobber und geringfügige Tätigkeiten von Schülern, Studenten und Rentnern. Rund 20 Prozent aller Geringverdiener arbeiteten in Teilzeit. Nach Berechnungen des DIW würde sich der Bruttolohn bei Arbeitnehmern, die weniger als 8,50 Euro verdienen, rechnerisch um 35 Prozent erhöhen. Da die Einkommen in vielen Fällen mit Sozialleistungen verrechnet werden, fiele der Anstieg unter dem Strich niedriger aus. Gesamtwirtschaftlich würde sich die Lohnsumme um drei Prozent erhöhen.

Dies wäre zwar ökonomisch keine Katastrophe, erklärte das DIW, aber eine erhebliche Nachfragesteigerung gehe vom Mindestlohn nicht aus. In Schwierigkeiten gerieten die Kleinbetriebe, die geringe Löhne zahlen. Ihnen drohten Kostensteigerungen von zehn bis 20 Prozent.