Die Mietpreisbremse gilt als wenig effektiv. Sie wirkt einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge vor allem in Innenstädten – auch in manchen Teilen von Stuttgart.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Stuttgart - Es war ein hehres Ziel, das sich die Bundesregierung mit der Einführung der Mietpreisbremse im Juni 2015 setzte. Nicht bei jedem Mieterwechsel sollten die Miete steigen, und Wohnen insgesamt billiger werden. Von neuen Mietern darf der Eigentümer seitdem höchstens zehn Prozent mehr verlangen als die ortsübliche Miete für ähnliche Wohnungen. Das Zeugnis, das der Preisbremse bislang aber ausgestellt wurde, war eher mangelhaft. Als „Papiertiger“ und als wenig effektiv, wurde sie verschrien. Umso überraschender ist das Ergebnis, zu dem nun eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt. Demnach ist die Mietpreisbremse „besser als ihr Ruf“, sie allein könne die Probleme auf dem Wohnungsmarkt aber nicht lösen.

 

Die Forscher haben 200 000 Inserate auf Onlineportalen ausgewertet und kommen zu dem Schluss, dass die Wirkung der Preisbremse vor allem davon abhängt, wie stark die Mieten schon vor ihrer Einführung gestiegen sind. „Die Mietpreisbremse greift nur in bestimmten Regionen, in denen die Mieten zuvor sehr stark gestiegen waren, und erreicht damit nur kleine Teile der Bevölkerung. Das heißt jedoch nicht, dass die Mietpreisbremse grundsätzlich eine Fehlkonstruktion ist“, sagt Claus Michelsen, einer der drei Autoren der DIW-Studie. Es müssen also gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit sie wirkt: Die Forscher fanden heraus, dass dies der Fall ist, wenn die Neuvertragsmieten in den vorangegangenen vier Jahren mindestens um 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen waren. Sie gehen davon aus, dass das „in erster Linie in den Innenstadtbereichen der Fall sein“ dürfte. In Regionen, in denen die Mietpreissteigerung im gleichen Zeitraum darunter lag, war kein Effekt zu erkennen. In Gegenden, in denen die Mieten vor der Regulierung um mehr als 4,8 Prozent jährlich gestiegen sind, drückt die Bremse die Mieten sogar. Um durchschnittlich 2,9 Prozent.

Stuttgart steht beispielhaft für die Ergebnisse

Das ist auch in Teilen Stuttgarts der Fall. Exemplarisch führt die Studie das Heusteigviertel an. Gleiches gilt zum Beispiel auch am Feuersee, im Stadtteil Mönchshalde und in Relenberg. Dort sei das Mietniveau einmalig gesunken. In Teilen des Stuttgarter Ostens dämpfe die Preisbremse die Mieten zumindest. Im Süden der Stadt hingegen zeigt sie keine Wirkung, da dort der Anstieg der Mieten vor der Einführung weniger als 3,9 Prozent pro Jahr betrug. „Stuttgart steht exemplarisch für die Ergebnisse der Studie“, sagt Claus Michelsen. „Es zeigt sich, dass vor allem in den zentrumsnahen Gebieten die Mitpreisbremse ihre Wirkung entfaltet. In den Außenbezirken hat sie faktisch keine Wirkung.“

Die Mietpreisbremse gilt inzwischen in 313 Städten und Gemeinden in Deutschland, davon 68 in Baden-Württemberg – allerdings nicht für neugebaute oder umfassend renovierte Wohnungen. „Die Mietpreisbremse hat möglicherweise Hoffnungen geweckt, die sie in dieser Form nicht erfüllen konnte“, sagt Michelsen. Der Mieterverein Stuttgart befasst sich indes selten mit dem Thema. Zwar ist es am Mieter, sich nach den alten Inhalten des Mietvertrags zu erkundigen, die meisten würden einer Konfrontation aber lieber aus dem Weg gehen, sagt Doris Wittmer vom Mieterverein Stuttgart. „Die wenigsten wollen sich direkt nach dem Einzug mit dem Vermieter anlegen.“ Sie wünscht sich, dass die Regelung auch auf modernisierte Wohnung ausgeweitet wird. Dort würden oft einen Aufschlag von 15 bis 20, teilweise bis zu 50 Prozent geben. Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund meint: „Die Diskrepanz zwischen ortsüblicher Vergleichsmiete und Wiedervermietungsmieten besteht nach wie vor.“

Mieterbund fordert mehr Wohnungen

Ein Großteil der Vermieter halte sich nach wie vor nicht an die Regelungen. Die Mieten würden vielerorts auch deshalb steigen, „weil in die Vergleichsmieten nur die hohen Vertragsabschlüsse der letzten vier Jahre einfließen“. Der Mieterbund fordert deshalb, nicht nur die Mieten der vergangenen vier Jahre, sondern zumindest die der letzten zehn Jahre als Grundlage für die Berechnung heranzuziehen. Auch sei die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt längst nicht behoben. Es fehlten rund eine Million Wohnungen in Deutschland „und steigende Mieten können natürlich nicht nur mit der Mietpreisbremse bekämpft werden“. Notwendig sei der jährlich Neubau von mindestens 400 000 Wohnungen, davon 200 000 Mietwohnungen.

Da Neubauten von der Mietpreisbremse ausgenommen seien, sei auch die Kritik verfehlt, sie behindere Investitionen. „Weil dieses Segment eine Art Überdruckventil für den regulierten Markt ist, steigen die Mieten dort besonders stark, und der Reiz in neue Wohnungen zu investieren, wird eher gesteigert“, sagt Claus Michelsen.