Als DJ Cin kennt man ihn in Stuttgarter Clubs. Abseits des Nachtlebens schreibt Yalcin Kutlu seine Doktorarbeit im Fach Soziologie.

Stuttgart - Rein äußerlich wirkt er wie der klassische Hip-Hop-DJ: Er trägt weite Baggypants, Sneaker und Kapuzenpulli, steht lässig an den Plattentellern und sorgt in Stuttgarter Clubs routiniert für die passenden Hip-Hop-Beats. Doch schon das aufgeweckte Funkeln in seinen Augen, das immer wieder hinter seiner schwarz umrandeten Brille hervorblitzt, lässt erahnen, dass Yalcin Kutlus Interesse nicht nur dem Auflegen gilt. Auch politische und soziologische Fragen bestimmen das Leben des 27-Jährigen. Und genau deshalb schreibt er derzeit auch an der Uni Jena seine Doktorarbeit in Soziologie.

 

Aktuell legt der Stuttgarter mit türkischen Wurzeln zwei- bis dreimal pro Woche Hip-Hop auf – beispielsweise in Clubs wie der Schräglage, dem Tonstudio oder dem People. Von seinem Job als DJ kann er bereits seit vier Jahren gut leben. Trotzdem will Yalcin nicht bis in alle Ewigkeit DJ bleiben. „Mein Traum ist es, irgendwann als Soziologieprofessor zu arbeiten – auch wenn ich als DJ wohl mehr verdienen würde als als Wissenschaftler“, sagt er. „Aber nur aufzulegen wäre mir aus intellektueller Sicht einfach zu wenig.“

Einstand bei einer Abiparty in der Boa

Mit 14 Jahren hat Yalcin angefangen, Hip-Hop zu hören. In Musikern wie Freundeskreis, den Massiven Tönen, Cool Savas oder den Beginnern fand er die großen Idole seiner Jugend. Sie beeindruckten ihn so sehr, dass er selbst Teil der Hip-Hop-Kultur werden wollte. „Ich konnte weder rappen noch tanzen, also dachte ich, ich probiere es mal mit Auflegen“, erzählt er.

Mit dem Geld, das er beim Zeitungenaustragen verdiente, kaufte er sich den ersten Plattenspieler und begann gemeinsam mit einem Freund, Musik zu machen. Die erste größere Party, bei der er auflegen durfte, war eine Abiparty im Stuttgarter Club Boa. Damals war er gerade 18 Jahre alt. Nach und nach lernte Yalcin von erfahreneren DJ-Kollegen immer mehr dazu – beispielsweise von DJ Emilio, der das legendäre Stuttgarter Künstlerkollektiv „Kolchose“ mitbegründete. Mit 20 Jahren legte Yalcin dann regelmäßig beim Hip-Hop-Mittwoch in der Stereolounge auf.

Promotion über Arbeit und Anerkennung

Doch die Musik war nicht das Einzige, was den DJ schon in jungen Jahren bewegte. Auch soziale und politische Fragestellungen interessierten Yalcin – und tun es bis heute. Deshalb begann er, in Augsburg Politikwissenschaften, Soziologie und Geschichte zu studieren und machte auch nach dem Abschluss weiter. Derzeit schreibt er seine Doktorarbeit über das Thema Arbeit und Anerkennung am Beispiel von Erzieherinnen. „Ich möchte der Frage nachgehen, was uns Erziehungsarbeit eigentlich wert ist“, erklärt er. „Erzieherinnen erfahren zwar Anerkennung, verdienen aber wenig Geld. Und wenn man bedenkt, dass jemand, der Autos zusammenbaut, mehr Lohn bekommt als diejenigen, die unsere Kinder erziehen, ist das aus meiner Sicht schon ein wichtiges Thema.“

Auch wenn sein DJ-Job auf den ersten Blick nichts mit seiner Doktorarbeit zu tun hat, sieht Yalcin zwischen dem Hip-Hop und der Soziologie durchaus Parallelen. Schließlich befasse sich der Hip-Hop als Musik, die ursprünglich in sozialen Brennpunkten geboren wurde, ebenso mit sozialen Fragen wie die Soziologie, erklärt er. Beide Disziplinen wollten verborgene gesellschaftliche Mechanismen aufdecken. Den Hip-Hop sehe er dabei „eher als Sozialreportage“, sagt er.

Der Hip-Hop-Szene will er treu bleiben

Bis Yalcins Doktorarbeit fertig ist und er sich restlos auf seine akademische Karriere konzentrieren will, werden voraussichtlich noch zwei bis drei Jahre vergehen. So lange will er seinen DJ-Job auf jeden Fall noch weiter betreiben. Allerdings, meint er, sei auch irgendwann die Zeit gekommen, in der er nicht mehr als DJ arbeiten wolle. „Kürzlich kam beim Auflegen ein Mädel zu mir und wollte sich ein Lied wünschen“, erzählt er. „Dabei hat sie mich gesiezt! Daran merkt man schon, dass man so langsam zum älteren Partypublikum gehört.“

Der Hip-Hop-Kultur will der Stuttgarter dennoch treu bleiben. Schließlich ist die Musik für ihn eine Herzenssache. „Das geht auch nicht verloren – selbst wenn ich nicht mehr auflege.“