Die grün-rote Landesregierung, der Naturschutzbund, die Jäger und die Schafzüchter rechnen mit einer Rückkehr des Wolfes in den Südwesten. Das vor zwei Wochen tot aufgefundene Tier ist der erste Wolf im Land seit 150 Jahren.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Lahr - Der Wolf ist da – besser, er war da: Das tote Tier an der Autobahn 8 südwestlich von Lahr war tatsächlich ein junger Wolf. Das sei das Ergebnis einer DNA-Untersuchung der Frankfurter Senckenberg Gesellschaft für Naturkunde, teilte Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) am Montag in Stuttgart mit. Der erste im deutschen Südwesten wieder nachgewiesene Wolf nach gut 150 Jahren, erregt Aufsehen, aber keine Panik. Woher er genau kam, ist noch ungeklärt, er kann auch Frankreich, wohl eher aber aus der Schweiz kommen. Der Wolf ist ein Dauerläufer und männliche Jungtiere bringen große Distanzen auf der Suche nach einem eigenen Revier hinter sich.

 

Die Rückkehr wird als positiv für die Natur gesehen

Noch liefen Tests zum Alter und Gesundheitszustand des Tieres, sagte Minister Bonde, der jetzt die „Koordinationsgruppe Wolf“ einberufen hat, die über die Untersuchungsergebnisse informieren wird. In der Arbeitsgruppe sind die Naturschutzbehörden wie auch Naturschutz-, Jagd- und Landnutzerverbände vertreten. „Ich freue mich, gleichzeitig treibt es uns auch die Sorgenfalten auf die Stirn“, sagte Andre Baumann, der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu). „Ihr seid zu früh, hätte er den Wölfen am liebsten zugerufen, als der Tierkadaver gefunden wurde, sagte er. Denn es gibt zwar die Koordinationsgruppe, den Leitfaden und sogar einen Wolfsriss-Fonds, doch die Wirklichkeit ist immer anders als auf dem Papier.

„Für die Natur ist das eine gute Nachricht“, betont Baumann, „unsere Artenvielfalt ist dabei, wieder um ein Puzzleteil vollständiger zu werden“. Doch wie soll man mit dem Wiederkehrer umgehen? Die Angst vor dem bösen Wolf sitzt tief in der Volksseele. Da können Experten noch so oft erzählen, dass der Wolf kein Menschenfresser, sondern eher „ein Schisser“ ist, wie sich der Nabu-Wolfsbeauftragte Michael Glock aus Waldkirch ausdrückt. „Der Mensch entspricht nicht seinem Beuteschema“, behauptet Glock. „Es reicht, sich ein bisschen groß zu machen und laut zu reden, dann trollt er sich.“ Dass sich Menschen, die schon vor Hunden Angst haben, davon beruhigen lassen, ist kaum wahrscheinlich. Ein Kuscheltier ist der Wolf beileibe nicht, er lebt auch nicht von Pilzen, Beeren und Nüssen, er ist ein ausgemachter Fleischfresser, ernährt sich vorzugsweise von Rehen und Wildschweinen. Und falls nichts anderes greifbar ist, auch von landwirtschaftlichen Nutztieren.

Vor allem die Wanderschäfer sind besorgt

Richtig in Sorge sind daher die Schaf- und Ziegenhalter. Und ganz besonders die Wanderschäfer, die ihre Tiere abends nicht in einen festen Stall treiben können. „Schäferinnen und Schäfer sind für unsere Kulturlandschaft und ihre reiche Artenvielfalt unverzichtbar“, betont Andre Baumann. „Auch deshalb dürfen wir sie mit ihren Sorgen nicht alleine lassen Der Nabu hat im Hochschwarzwald ein Modellprojekt gestartet und zwei Herdenschutzhunde angeschafft. Doch diese schützen eine stationäre Herde. Schutzhunde für Wanderherden brauchen eine spezielle und anspruchsvollere Ausbildung, denn sie müssen sich mit den Hütehunden vertragen. Diese sind die Gehilfen des Schäfers und treiben die Herde mit Gebell in die richtige Richtung. Schutzhunde glauben indessen, zur Herde zu gehören und verbellen Hütehunde spontan als Feinde wie den Wolf. Es wird dauern, bis beide Hundearten verstanden haben, dass sie koexistieren müssen.

Grün-Rot hat im Dezember 2014 auf Antrag von SPD und Grünen 200 000 Euro in den Staatshaushalt aufgenommen, um das Projekte für den Herdenschutz voranzutreiben. Das Geld ist da, der Antrag wird gerade formuliert, Antragsteller wird der Landesschafzuchtverband sein, aber auch die Halter anderer Nutztiere sind beteiligt. „Wir waren Wolferwartungsland, jetzt sind wir Wolfsland“, konstatiert Markus Rösler, der naturschutzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag. Ihm ist wichtig, dass die Zusammenarbeit der Verbände klappt und zumindest auf dieser Ebene sachliche Gelassenheit herrscht. Auch bei den Jägern. Landesjägermeister Jörg Friedmann sieht es positiv, wenn eine ausgerottete Art zurückkehrt. Einen Grund zur Panik sehen die Jäger im Land jedenfalls nicht.

Ein Beutegreifer mit Appetit auf Wildtiere

Der Wolf (Canis lupus) ist ein Beutegreifer und gehört zur Familie der Hunde (Canidae). Die letzten Exemplare des Raubtieres im Land wurden in Württemberg 1847, in Baden 1866 erlegt. Derzeit sind nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) in ganz Deutschland 31 Wolfsrudel, vier Paare und mehrere Einzeltiere nachgewiesen. Dauerhaft leben Wölfe in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen. Auch in Schleswig-Holstein und Thüringen sind einzelne Wölfe nachgewiesen worden. Populationen gibt es in den Schweizer Alpen, im Jura und in den elsässischen Vogesen. Wölfe ernähren sich von Wildtieren wie Rehen, Wildschweinen, Hirschen oder Hasen. Aber sie können in seltenen Fällen auch Schafe und Ziegen reißen. Gesunde Wölfe, die nicht provoziert oder angefüttert werden, stellen laut Wildtierexperten für den Menschen in der Regel keine Gefahr dar. Seit es wieder Wölfe in Deutschland gibt, habe es keine Situation gegeben, bei der sich Wölfe aggressiv gegenüber Menschen verhalten haben.