Kultur: Adrienne Braun (adr)

So gibt es viele kleine, feine Entdeckungen: die fröhlich-bunten, bestechend einfachen Landschaften der libanesischen Künstlerin Etel Adnan. Die Wandteppiche der Schwedin Hannah Ryggen, die seit den dreißiger Jahren politische Themen aufgriff. Die Hunderte Apfelzeichnungen von Korbinian Aigner, der im KZ Dachau auf einer Plantage arbeitete und heimlich Apfelsorten entwickelte – KZ 1 bis KZ 4. Oder die futuristischen Aquarelle von Konrad Zuse, die nun in der Orangerie neben seinen ersten Computern hängen.

 

Es sind oft leise, meist auch schon ältere Arbeiten, die belegen, dass die Documenta nicht spektakulär sein will und sich von den Moden des Kunstmarktes angenehm fernhält. Im Gegensatz dazu stehen die zahllosen Werke, die eigens produziert wurden und oft wirken, als sollten sie Christov-Bakargievs Weltmodell illustrieren. Immer wieder geht es da um Umweltfragen, Kolonialisierung, Krieg, um die Zerstörung der mexikanischen Region Chalco oder die Industrialisierung im Osten Indiens. Mehrere Projekte arbeiten Lokalgeschichte auf wie die des KZ Breitenau. Manches ist reine Dokumentation, anderes genügt sich darin, Ereignisse zu paraphrasieren. Einiges ist sinnlich, anderes verquast oder plakativ – wie das Projekt von Amy Balkin, die Verantwortliche aufgefordert hat, die Erdatmosphäre als Weltkulturerbe eintragen zu lassen. Erste – wenig aussagekräftige – Antworten hängen nun aus.

Dass der Mensch nicht nur Kriegsopfer und Umweltzerstörer ist, sondern auch Individuum, das spielt auf dieser Documenta keine Rolle. So sind die Zeichnungen von Ida Applebroog eine Ausnahme. Sie zeigt den Menschen mit seinen Abgründen und Deformationen. Ihre Blätter und Notizen werden als Kopien stapelweise verschenkt.

Die Documenta sagt viel, aber hört es auch jemand?

In den nächsten hundert Tagen stehen viele Performances und Liveacts auf dem Programm, wobei es nicht leicht ist, sich in dieser Überfülle an Aktionen zurechtzufinden und Zugang zu den Projekten zu bekommen. Und das ist die eigentliche Schwäche dieser Documenta: dass sie in der Praxis nicht hält, was sie theoretisch so vollmundig verhandelt. Sie propagiert den Dialog mit dem Zuschauer – aber eben nur theoretisch. Die Texttafeln sind eng gedruckt, schlecht zu lesen und stecken voller Fehler. Das Informationsmaterial ist unzureichend, manche Arbeit im öffentlichen Raum findet man nicht, und ohne gute Englischkenntnisse ist man ohnehin verloren. Diese Documenta ist enorm ambitioniert und will viel sagen. Ob davon aber etwas ankommt, scheint ihr völlig egal.

Fast 300 Teilnehmer bestreiten die Documenta 13, darunter auch Physikstudenten, die den Besuchern die Quantenphysik erklären. Nur Kai Althoff ist nicht mehr an Bord. In einem gekrakelten Brief erklärt er, warum er nun doch absagen muss, da er nicht wisse, wie es mit ihm, mit seinem Leben weitergehen soll. Ein denkwürdiger Beitrag über das Scheitern und Versagen.

Ein KZ-Häftling, der heimlich Äpfel züchtete

So gibt es viele kleine, feine Entdeckungen: die fröhlich-bunten, bestechend einfachen Landschaften der libanesischen Künstlerin Etel Adnan. Die Wandteppiche der Schwedin Hannah Ryggen, die seit den dreißiger Jahren politische Themen aufgriff. Die Hunderte Apfelzeichnungen von Korbinian Aigner, der im KZ Dachau auf einer Plantage arbeitete und heimlich Apfelsorten entwickelte – KZ 1 bis KZ 4. Oder die futuristischen Aquarelle von Konrad Zuse, die nun in der Orangerie neben seinen ersten Computern hängen.

Es sind oft leise, meist auch schon ältere Arbeiten, die belegen, dass die Documenta nicht spektakulär sein will und sich von den Moden des Kunstmarktes angenehm fernhält. Im Gegensatz dazu stehen die zahllosen Werke, die eigens produziert wurden und oft wirken, als sollten sie Christov-Bakargievs Weltmodell illustrieren. Immer wieder geht es da um Umweltfragen, Kolonialisierung, Krieg, um die Zerstörung der mexikanischen Region Chalco oder die Industrialisierung im Osten Indiens. Mehrere Projekte arbeiten Lokalgeschichte auf wie die des KZ Breitenau. Manches ist reine Dokumentation, anderes genügt sich darin, Ereignisse zu paraphrasieren. Einiges ist sinnlich, anderes verquast oder plakativ – wie das Projekt von Amy Balkin, die Verantwortliche aufgefordert hat, die Erdatmosphäre als Weltkulturerbe eintragen zu lassen. Erste – wenig aussagekräftige – Antworten hängen nun aus.

Dass der Mensch nicht nur Kriegsopfer und Umweltzerstörer ist, sondern auch Individuum, das spielt auf dieser Documenta keine Rolle. So sind die Zeichnungen von Ida Applebroog eine Ausnahme. Sie zeigt den Menschen mit seinen Abgründen und Deformationen. Ihre Blätter und Notizen werden als Kopien stapelweise verschenkt.

Die Documenta sagt viel, aber hört es auch jemand?

In den nächsten hundert Tagen stehen viele Performances und Liveacts auf dem Programm, wobei es nicht leicht ist, sich in dieser Überfülle an Aktionen zurechtzufinden und Zugang zu den Projekten zu bekommen. Und das ist die eigentliche Schwäche dieser Documenta: dass sie in der Praxis nicht hält, was sie theoretisch so vollmundig verhandelt. Sie propagiert den Dialog mit dem Zuschauer – aber eben nur theoretisch. Die Texttafeln sind eng gedruckt, schlecht zu lesen und stecken voller Fehler. Das Informationsmaterial ist unzureichend, manche Arbeit im öffentlichen Raum findet man nicht, und ohne gute Englischkenntnisse ist man ohnehin verloren. Diese Documenta ist enorm ambitioniert und will viel sagen. Ob davon aber etwas ankommt, scheint ihr völlig egal.