Noch schnell ein klärendes Gespräch mit einem Arzt führen, der nicht persönlich am Krankenbett stehen kann - für viele Patienten in Krankenhäusern undenkbar. In Berlin testet eine Ärztin einen Roboter, der an ihrer Stelle zum Patienten rollt.

Berlin - Die junge Mutter Sheila Jungnischke liegt erschöpft von der Geburt in ihrem Krankenhausbett. Am Vortag hat die 29-jährige einen Sohn zur Welt gebracht. Ärztin Mandy Mangler will wissen, wie es ihrer Patientin geht. Doch sie kommt nicht persönlich zur Visite, sondern steuert per Handy einen Roboter ans Krankenbett: Der „Double“ rollt an, ein Tabletcomputer mit fahrbarem Untersatz. Die Ärztin hat sich zugeschaltet, ihr Gesicht ist auf dem Bildschirm zu sehen.

 

Jetzt begrüßen und unterhalten sich die beiden Frauen auf Augenhöhe. Mangler hat den Bildschirm entsprechend eingestellt. Die junge Patientin ist begeistert: „Ist ja abgefahren“. Sie sei zwar etwas aufgeregt. „Aber das wird wohl die Zukunft sein“, so Jungnischke.

Von überall erreichbar

Roboter statt Arzt - ist das wirklich die Zukunft? Mandy Mangler, Chefärztin der Gynäkologie am Auguste-Viktoria-Klinikum von Vivantes, beschwichtigt: „Es ist nur ein Zusatz, der extrem praktisch ist. Ich kann mich von jedem Ort der Welt zu meinen Patienten, aber auch zum Ärzteteam schalten“, sagt die 42-Jährige, die das Gerät seit wenigen Tagen testet.

Sprechstunden am Handy, Ärzte, die ihre Patienten per Telemedizin behandeln, Roboter, die operieren - alles nicht neu. Moderne Technik hat viele Krankenhäuser und Praxen erreicht. Seit dem vergangenen Jahr können Ärzte Fernsprechstunden auch abrechnen - und der damalige Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, zeigte sich sicher: „Video-Sprechstunden werden sich als eine von vielen Formen ärztlicher Patientenversorgung in Deutschland etablieren.“

Schwierige Gespräche werden persönlich geführt

Doch ein rollender Tabletcomputer, das zu den Patienten kommt, dürfte eher zu den ungewöhnlicheren Bildern in Kliniken gehören. Auch aus Sicht von Kassen sind die Geräte „sicherlich eine sehr spezielle Form“ der Fernbehandlung. „Für die meisten Versicherten - gerade im ambulanten Bereich - dürfte der vermehrte Einsatz von Videosprechstunden von größerer Relevanz sein“, sagt ein Sprecher des Verbandes der Ersatzkassen.

Mandy Mangler nutzt die Technik vor allem nach Feierabend oder an Wochenenden für Gespräche mit Patientinnen, auf die diese sonst länger warten müssten, wie sie sagt. Abrechnen kann sie die mobilen Visiten nicht. „Ich spare mir aber zusätzliche Fahrten in die Klinik und kann trotzdem da sein. So sind alle zufriedener“, so die fünffache Mutter, die auch Zuhause gefragt ist. Dass sie auch in ihrer Freizeit arbeite, störe sie nicht. „Es stresst mich mehr, wenn eine Patientin nicht happy ist“, sagt sie. Schwierige Gespräche führe sie aber nach wie vor nur persönlich.

Roboter macht guten Job

Mangler hat schon andere Varianten probiert. „Wir haben auch Schwestern ein iPad ans Krankenbett bringen lassen“, berichtet sie. Doch der Roboter sei praktischer. „So bin ich autonomer und kann ihn allein über die Gänge steuern“. Allerdings ist sie noch immer auf die Hilfe der Mitarbeiter angewiesen. „Der „Double“ kann keine Türen öffnen“, erzählt die Ärztin. Auch falls es nötig ist, die Patientinnen näher anzuschauen oder anzufassen, sei dafür immer eine Schwester vor Ort.

Der Telepräsenzroboter „Double Robotics“ wird auch fahrbares iPad oder iPad Segway genannt. Er sei unter den Robotern ein Einsteigermodell und habe unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten, berichtet Sabrina Jung von der Firma Humanizing Technologies, die die Roboter verkauft. Zum Beispiel könnten Kinder in Krankenhäusern per Roboter den Unterricht in der Schule verfolgen, der „Double“ sei zudem auf Videokonferenzen in Unternehmen oder bei Kongressen einsetzbar. Sprecher können einfach zugeschaltet werden.

Patienten zufrieden

Wenn die Technik den Dialog zwischen Patienten und Arzt verbessere und ergänze, nicht aber ersetze, spreche auf den ersten Blick gar nichts dagegen, heißt es bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. „Aus unserer Beratungserfahrung können wir ableiten, dass viele Ratsuchende im Gesundheitswesen vor allem Zeit für ein Gespräch auf Augenhöhe vermissen, sich nicht gut informiert fühlen. Da stellt sich natürlich auch die Frage, ob der Einsatz von einem Monitor die Antwort auf diese Herausforderung sein kann“, sagt Geschäftsführer Thorben Krumwiede.

Mandy Mangler ist schon nach wenigen Tagen vom „Double“ überzeugt. Auch die Patientinnen seien zufrieden mit der Technik, die nur ein Teil einer Digitalisierungsstrategie ist. „Wir wollen insgesamt mehr Zeit für die Patienten gewinnen und wieder mehr für sie da sein“, sagt Mangler. Sie ist überzeugt, dass auch Kollegen bald „Doubles“ benutzen. „Noch lächeln sie und sagen: „Die Chefin hat ein neues Spielzeug“. Aber insgeheim wollen sie so etwas auch“, erzählt sie.