Arte zeigt von Dienstag an die Doku-Reihe „Jesus und der Islam“. Was inhaltlich mutig überrascht, kommt optisch leider belanglos daher.

Stuttgart - Der Islam ist derzeit in aller Munde, aber nur die wenigsten Christen haben je einen Blick in den Koran geworfen. Deshalb weiß kaum jemand, dass ausgerechnet Jesus, die zentrale Figur des Christentums, eine der wichtigsten Figuren auch in der Heiligen Schrift des Islam ist. Gleiches gilt für seine Mutter Maria, die im Koran als Schwester von Moses und Aaron gilt. Jesus wird sogar deutlich öfter erwähnt als der Prophet Mohammed.

 

Entsprechend verblüffend sind die Erkenntnisse, die die siebenteilige Arte-Reihe „Jesus und der Islam“ an den nächsten Abenden vermittelt. Mit Hilfe von insgesamt 26 Religionswissenschaftlern aus aller Welt gehen Gérard Mordillat und Jérôme Prieur der Frage nach, welche Rolle Jesus für den Islam spielt und warum ein Ereignis wie die Kreuzigung im Koran völlig anders dargestellt wird als in den Evangelien. Dieser Aspekt steht im Zentrum der ersten Folge, die sich mit den Versen 157 und 158 der Koransure 4 befasst. Dort heißt es, Jesus sei nur scheinbar am Kreuz gestorben, was laut der Exegese der Wissenschaftler mehrere Schlüsse zulässt; möglicherweise sind die Zeugen einer Illusion erlegen, oder ein Stellvertreter starb an Jesu Stelle. Nach und nach weitet sich in der Dokumentation die Betrachtung auf alle möglichen theologischen, literarischen und historischen Fragen aus, die der Text aufwirft.

Gespräche mit Historikern

Die Franzosen Mordillat und Prieur genießen einen ausgezeichneten Ruf, seit sie vor zwanzig Jahren mit „Corpus Christi“ ihre erste einer ganzen Reihe von filmischen Beschäftigungen mit Religion vorgelegt haben; später folgten beispielsweise „Apokalypse“ und „Die Geburt des Christentums“. Für „Jesus und der Islam“ haben sie mit Historikern gesprochen, die sich mit den Anfängen von Islam, orientalischem Christentum und rabbinischem Judentum befassen, aber auch mit Philologen und Spezialisten für die Geschichte des Korans. Ihre Arbeitsweise ist dabei stets die gleiche, und sie ignoriert komplett, dass Fernsehen in erster Linie ein Bildermedium ist: Sie schauen ihren Gesprächspartnern beim Denken zu. Tatsächlich bestehen die gut 360 Minuten aus nichts anderem als redenden Köpfen vor schwarzem Hintergrund, hin und wieder unterbrochen durch sanfte Kameraschwenks über alte orientalische Dokumente.

Dieser Telekolleg-Stil ist enorm ermüdend, denn es gibt keinerlei Ablenkung; Momente der Entspannung sind in den Filmreihen von Mordillat und Prieur nicht vorgesehen. In jeder Folge wird fünfzig Minuten lang ununterbrochen geredet, weshalb angesichts des äußerst anspruchsvollen Stoffs höchste Konzentration vonnöten ist. Auch wenn die Gesprächspartner wechseln, ist die Machart ausgesprochen eintönig. Im Grunde ist „Jesus und der Islam“ ein Hörbuch mit Bildern; man muss sich schon sehr für das Sujet begeistern, um den Vorlesungen mit Spannung zu folgen.

Mut statt Bilder

Natürlich ist es schwierig, so einen Stoff ansprechend zu illustrieren, zumal die Autoren bewusst darauf verzichten, den Diskurs der Wissenschaftler als Diskussion darzubieten: Weil dabei ihrer Ansicht die Aussagen des besten Rhetorikers automatisch auch das meiste Gewicht hätten. Trotzdem ist es schade, dass der Stil viele potenzielle Zuschauer abschrecken wird und die Reihe daher nur bei sehr wenigen, wie Mordillat hofft, die „Mauer des Unwissens einreißen“ wird. Gerade den islamischen Wissenschaftlern dürfte die Debatte zudem einigen Mut abverlangt haben; ähnlich wie einst bei der Bibel („Das Wort Gottes“) gilt eine textkritische Analyse des Korans als Blasphemie.