Doku „Kleine Germanen“ ARD Die Kindheit ist doch nicht an allem schuld

Warum werden Menschen rechts? Und wie leben die Kinder rechter Eltern? Die ARD zeigt darüber den Doku-Animationsfilm-Mix „Kleine Germanen“. Wird man daraus schlau?
Stuttgart - Wie wird man rechts? Wie ist es, als Kind in einer Familie aufzuwachsen, die sich politisch betrachtet daheim fühlt irgendwo zwischen dem rechten Flügel der AfD und ganz weit außen rechts bei schlimmsten Nazis?
Weil die beiden Regisseure Mohammad Farokhmanesh (er stammt aus dem Iran, lebt schon lange in Deutschland) und Frank Geiger glauben, dass Gesinnung und Kindheit zusammenhängen, haben sie darüber einen viel beachteten Dokumentarfilm gedreht, der vom SWR koproduziert wurde und nun im Ersten zu sehen ist: „Kleine Germanen“.
Alle ganz locker und freundlich
Dieses Projekt hat eine ganz große Stärke: Farokhmanesh und Geiger ist es gelungen, als Gesprächspartner keineswegs nur Wissenschaftler und Aussteiger aus der rechten Szene zu gewinnen, sondern aktuell authentisch sprechende Vertreter von Pegida, Ex-NPD, neuer junger Rechten und Germanenkreisen, die ihre Positionen frappierend lässig erklären. Ob der Antaios-Verleger Götz Kubitschek, seine Ehefrau, die Publizistin Ellen Kositza, die völkische Aktivistin Ricarda Riefling („Bund Nationaler Frauen“) oder Martin Sellner, der Chef der Identitären Bewegung in Österreich – sie alle geben bereitwillig über ihren Werdegang und ihre Werte Auskunft. Und sie tun das locker und lächelnd, obwohl sie doch wohl ahnen konnten, dass ihnen dieses Filmteam sicher nicht freundlich gesonnen war.
Das birgt im Grunde die größte Spannung bei „Kleine Germanen“: dieser unglaubliche Kontrast zwischen den Bildern ganz normal und leger wirkender Alltagsgenossen in durchaus gemütlichen Wohnzimmern – und scharf dagegen geschnitten die gleichen Leute bei ihren Auftritten auf rechten Demonstrationen, nun wirklich mit Schaum vorm Mund, Gift und Galle versprühend gegen Flüchtlinge, Asylanten, Juden, Frauenschänder. Aus diesem Gegensatz hätte der Film etwas machen können – vor allem die derart authentischen Zeugnisse der rechten Szene auf den Zuschauer wirken lassen.
Die Musik lässt keine Missverständnisse zu
Leider traute sich das Regieduo ein solches Experiment wohl nicht zu; oder auch dem Zuschauer nicht. Stattdessen wird belehrend die Lebensgeschichte einer Frau erzählt, die als Kind von ihrem Nazi-Opa zu rechtem Gedankengut verzogen wird und später mit ihrem ebenfalls völkischen Gatten Asylbewerber-Unterkünfte anzündet. Überraschungen birgt diese Biografie keine. Vor allem aber wird sie ohne Beleg und als knallbunter Animationsfilm präsentiert, und so gerät „Kleine Germanen“ zu einem relativ wirren Mix aus langen gezeichneten und dokumentarischen Szenen, wobei letztere oft nur Ausschmück-Charakter haben. Die Quintessenz des Films ist schließlich: Erfahrungen in der Kindheit können schuld daran sein, dass man später zum politisch Ultrarechten wird. Aber: man kann sich von dieser Kindheit auch lösen. Aha.
Leider reiht sich „Kleine Germanen“ damit ein in eine lange Reihe an Dokumentarfilmen jüngerer Produktionen, die politisch brisante Themen engagiert präsentieren – die aber allesamt wirken, als wenn die Autoren bereits anfangs eine fertige Aussage hatten und in der Welt nur noch nach den dazu passenden Bildern suchen. Zum Schluss wird dann alles großzügig mit Musik unterlegt, um ja keinen Zweifel an der Message zu lassen. Man hat den Eindruck, dem Genre täte eine allgemeine Nachdenkpause mal wieder gut.
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