Unfall, Schlaganfall, schwere Krankheit – ein Ordner mit den wichtigsten Vollmachten sorgt dafür, dass die Angehörigen im Notfall nicht hilflos dastehen. Eine Übersicht.
Meist kommt alles ganz plötzlich: Ein Schlaganfall, eine schwere Krankheit oder ein Unfall lassen sich nicht vorhersehen. Und solche Schicksalsschläge können einen Menschen in eine Situation bringen, in der er sich – vielleicht nur vorübergehend – nicht mehr mit seinem Umfeld und dem behandelnden Arzt verständigen kann.
Umso wichtiger ist es, für den Ernstfall umfassend vorzusorgen und zu klären, wer wichtige Entscheidungen für einen treffen soll, wenn man sich nicht mehr selbst äußern kann. Seit Jahresbeginn gilt hier eine gesetzliche Neuregelung, die Angehörigen die Kommunikation mit Ärzten erleichtern soll: Ehegatten und Lebenspartner haben nun für den Notfall – auf sechs Monate begrenzt – ein gegenseitiges Vertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten. Für diese Zeit ist der behandelnde Arzt gegenüber dem Partner von der Schweigepflicht entbunden. Damit das Notvertretungsrecht gilt, darf keine anderslautende Vorsorgevollmacht vorliegen. Maßgeblich sind in jedem Fall die Wünsche des Patienten, die etwa in einer Patientenverfügung niedergelegt sein können. Das Notvertretungsrecht ist allerdings auf medizinische Fragestellungen begrenzt. In finanziellen Angelegenheiten gilt es nicht.
Klarheit schaffen
Um umfassend Klarheit im Ernstfall zu schaffen, könne ein Notfallordner hilfreich sein, in dem die wichtigsten Informationen und Dokumente abgeheftet sind, sagt Monika Müller, Finanzcoach aus Wiesbaden. Diesen sollte jede und jeder so früh wie möglich zusammenstellen. Enthalten sollte er in jedem Fall eine Patientenverfügung. Damit kann jeder seinen Willen in medizinischen oder pflegerischen Angelegenheiten für den Fall festhalten, dass er sich nicht mehr selbst dazu äußern kann. Wenn sich im Ernstfall eine ganz bestimmte Person um die wichtigsten Angelegenheiten kümmern soll, sollte zudem eine Vorsorgevollmacht in den Ordner. „Wer das nicht tut, riskiert, dass das Gericht im Ernstfall einen fremden Betreuer bestellt“, sagt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen.
Auch Angaben zu existierenden Bankkonten und Aktiendepots, Kopien von Miet- und Telekommunikationsverträgen sowie von sämtlichen Versicherungspolicen gehören in den Notfallordner, ergänzt Müller. „Damit im Fall der Fälle alles reibungslos läuft, sollte man einer vertrauten Person auch eine Bankvollmacht erteilen und eine Kopie davon in den Ordner packen.“
Was ist ein Notfallordner?
Einen Notfallordner zu erstellen sei zwar zunächst einmal aufwendig und zeitintensiv, sagt Verbraucherschützerin Oelmann. Aber es vor sich her zu schieben, sei falsch. Denn schließlich lässt sich das eigene Schicksal nicht planen. Schwierig sei ohnehin nur der Auftakt: Wer einmal alle Unterlagen beisammen habe, habe es künftig leichter, entsprechende Anpassungen vorzunehmen, so Oelmann. Und solche regelmäßigen Aktualisierungen sind absolut sinnvoll. Denn schließlich ändern sich Verträge immer mal wieder, neue kommen hinzu – und vielleicht überlegt man es sich auch einmal anders, wer im Ernstfall die wichtigsten Entscheidungen für einen treffen soll.
Ob der Notfallordner lieber klassisch in Papierform oder digital, zum Beispiel auf einem mit Passwort geschützten USB-Stick, angelegt wird, ist Geschmackssache. Wichtig zu wissen: „Einige Dokumente – etwa die Vorsorgevollmacht, das Testament oder eine Sorgerechtsverfügung – können die Angehörigen nur verwenden, wenn sie diese im Original vorlegen können“, sagt Michaela Rassat, Juristin bei der Ergo Rechtsschutz Leistungs-GmbH. Hier kann der Notfall-USB-Stick etwa Hinweise auf den Aufbewahrungsort enthalten. Da der Notfallordner persönliche Daten und sensible Informationen enthält, „sollten die Unterlagen vor unerwünschten Zugriffen sicher sein“, so Rassat. Wer sich für die Papierform entscheidet, sollte den Ordner daher an einer nicht sofort einsehbaren Stelle aufbewahren. „Ein USB-Stick sollte mit einem Passwort geschützt sein, das nur die engsten Vertrauenspersonen kennen“, so die Juristin. Nicht unbedingt ratsam ist es, den Ordner oder den Stick in einem Bankschließfach oder beim Notar zu hinterlegen. Denn das kann, wenn es schnell gehen muss, aufgrund strenger Vorgaben zu Verzögerungen führen.
Diese Möglichkeiten zur Vorsorge gibt es
Vorsorgevollmacht
Mit einer Vorsorgevollmacht lässt sich festlegen, wer über ärztliche Untersuchungen, den Aufenthaltsort und auch das Vermögen bestimmen soll, wenn man selbst nicht mehr dazu in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Im Prinzip kann jeder selbst die Vollmacht aufsetzen oder Vordrucke ausfüllen. Formularvorlagen gibt es bei Beratungsstellen wie etwa den Verbraucherzentralen, bei Betreuungsbehörden und online auch beim Bundesjustizministerium. Sinnvoll ist es, eine solche Vollmacht notariell beglaubigen zu lassen, denn auf diese Weise erspart man allen Beteiligten im Ernstfall langwierige Diskussionen.
Betreuungsverfügung
Mithilfe einer Betreuungsverfügung kann man bestimmen, wer als gesetzlicher Betreuer eingesetzt werden soll, wenn man selbst aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung nicht mehr geschäftsfähig ist. Zudem kann festgelegt werden, wie die Betreuung inhaltlich gestaltet werden soll. Die Betreuungsgerichte sind an eine solche Betreuungsverfügung weitgehend gebunden und haben dabei eine Kontrollfunktion inne. Wenn keine Betreuungsverfügung existiert, wird ein Betreuer vom Gericht festgelegt. Dies kann dann ein naher Angehöriger sein, aber auch ein gesetzlicher Betreuer wie etwa ein Rechtsanwalt.
Patientenverfügung
In einer Patientenverfügung kann man festlegen, in welche Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffe man einwilligen würde, falls man selbst nicht mehr kommunizieren kann. „Die Ärzte sind an diese Verfügung gebunden und müssen sich an die darin stehenden Wünsche halten“, erklärt Wolfgang Reuter von der Deutschen Krankenversicherung (DKV). Entscheidend sei es daher, den eigenen Willen möglichst genau zu formulieren. Damit die Verfügung wirksam ist, muss sie bestimmte Anforderungen erfüllen. So sei nur ein schriftliches Dokument mit Erstellungsdatum und Unterschrift gültig, so Reuter. Zudem müsse der Verfasser volljährig und einwilligungsfähig sein – und ohne Zwang handeln.
Sorgerechtsverfügung
Für Eltern minderjähriger Kinder ist eine Sorgerechtsverfügung wichtig. „Mit einer Sorgerechtsverfügung können Eltern im Voraus regeln, wer sich nach ihrem Tod um ihre Kinder kümmern soll“, erläutert Ergo-Juristin Michaela Rassat. Damit das Dokument auch gültig ist, muss man sich an entsprechende Formalien halten: Die Verfügung muss persönlich und handschriftlich verfasst, mit Vor- und Nachnamen unterschrieben und mit Datum versehen werden. Alternativ kann sie auch von einem Rechtsanwalt oder Notar aufgesetzt werden. Ohne entsprechende Verfügung bestimmen Jugendamt und Familiengericht nach dem Tod der Eltern darüber, wer das Sorgerecht für die Kinder bekommt.
Bankvollmacht
Eine Bankvollmacht kann Teil der Vorsorgevollmacht sein, kann aber auch separat erteilt werden. Juristisch gesehen handelt es sich dabei um eine schriftliche Anordnung des Kontoinhabers, mit der er ausdrücklich einem Dritten den Zugriff auf seine Konten gewährt und sie ermächtigt, Bankgeschäfte für ihn durchzuführen. Das kann etwa der (Ehe-)Partner, ein volljähriges Kind oder eine nahestehende Vertrauensperson sein. „Eine solche Vollmacht muss in schriftlicher Form erfolgen“, sagt Finanzcoach Monika Müller. Sinnvoll ist es, eine Kopie der Vollmacht direkt bei der Bank zu hinterlegen. Achtung: Beinhaltet die Vollmacht nicht die Klausel „über den Tod hinaus“, ist sie nach dem Tod nicht mehr gültig.
Testament
Wer seinen Nachlass unabhängig von der gesetzlichen Erbfolge regeln will, sollte ein Testament verfassen. Darin kann unter anderem festgelegt werden, wer erben soll und wer eventuell auch nicht. Außerdem ist es möglich, mit dem Erbe verknüpfte Auflagen und Bedingungen festzulegen. Damit es rechtsgültig ist, muss der Erblasser das Testament handschriftlich verfassen und mit Angabe von Ort und Datum unterzeichnen. Alternativ kann es auch vor dem Notar erstellt werden. Ein notarielles Testament hat den Vorteil, dass Formfehler, die zu dessen Unwirksamkeit führen können, vermieden werden. Das Testament im Original im Notfallordner zu verwahren, empfiehlt sich allerdings „nur, wenn ganz sicher kein Streit um den Nachlass droht“, sagt Juristin Rassat. „Ansonsten ist ein Testament in amtlicher Verwahrung beim Nachlassgericht besser aufgehoben.“
Weitere wichtige Dokumente
Informationen zu Bankkonten, Wertpapierdepots und Bankschließfächern. Kopien von Versicherungspolicen wie Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Sterbegeldversicherungen. Kopien von Miet- und Telekommunikationsverträgen: All das kann im Ernstfall für die Angehörigen wichtig sein und sie dabei unterstützen, die jeweiligen Angelegenheiten schnell zu regeln. Auch eine Liste der wichtigsten Online-Konten mit den entsprechenden Zugangsdaten sollte im Notfallordner hinterlegt werden.