Schön, wenn in Stuttgart etwas fertig wird. Bei der Domkirche St. Eberhard ist das jetzt der Fall. Pünktlich zum ersten Advent öffnet die renovierte Zentralkirche der Katholiken in Stuttgart wieder.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Dass die Domkirche St. Eberhard in neuem Licht erstrahlt, ist keine Übertreibung und keine Floskel: Sie tut es wirklich. Wenn die Zentralkirche der Stuttgarter Katholiken zu Beginn des neuen Kirchenjahrs am 1. Advent mit einem festlichen Gottesdienst wiedereröffnet wird, dann wird dort nicht nur georgelt und jubiliert, sondern auch kräftig an den Lichtschaltern gespielt. Das neue Beleuchtungskonzept – Kernstück der 940 000 Euro teuren Renovierung – hat dann Premiere.

 

Und man verrät nicht zuviel, wenn man feststellt, dass die Besucherinnen und Besucher die Kirche in einem anderen, freundlicheren Licht sehen werden. „Durch die neue LED-Technik können unterschiedliche Stimmungen erzeugt werden – abgestimmt auf die verschiedenen Formen der Liturgie“, sagte Architektin Anna Blaschke bei einer Besichtigung am Dienstag. „Licht statt Leuchten“ lautet das Motto nun. Nebenbei sinkt der Energiebedarf trotz Festbeleuchtung in St. Eberhard um 34 Prozent. Am Sonntag kommt die ganze Bandbreite der Stimmungen zum Einsatz: „Wir ziehen mit Posaunen und Fanfaren in die dunkle Kirche ein, die dann nach und nach erhellt wird“, sagt der gewählte Vorsitzende des Gesamtkirchenrats, Stephan Bier. Auf diese Weise wird das Posaunenmotiv des von Otto Habel 1961 geschaffenen, 13 Meter hohen Mosaiks im Altarraum aufgenommen, das nun wieder glänzt wie neu.

Der Stadtdekan muss jetzt nicht mehr am Campingtisch die Messe halten

Die Vorfreude ist bei allen Beteiligten groß. Bei Stadtdekan Christian Hermes, der sich darauf freut, dass die Arbeiten zeitlich „auf den Punkt genau“ fertig geworden sind, und der nun wieder an einem richtigen Alter die Messe halten kann und nicht länger an einem Campingtisch im Untergeschoss der Domkirche.

Bei Domkantorin Lydia Schimmer, die es kaum erwarten kann, dass die Domchöre am Sonntag erstmals wieder gemeinsam auftreten – immerhin fast 200 Sängerinnen und Sänger –, und die sich vorgenommen hat, die vielen in der Coronazeit verstummten Stimmen in der Gemeinde „wieder zum Singen zu bringen“. Und auch bei Stephan Bier vom Kirchengemeinderat, der von der neuen „Qualität des Kirchenraums“ schwärmt und die „Heimkehr“ dorthin kaum erwarten kann, weil im Gegensatz zum schlichten Provisorium „hier die katholische Seele schwingt“. Willkommen sind in der aufgehellten und frisch gestrichenen Konkathedrale freilich nicht nur katholische Seelen, sondern bewusst alle, wie Christian Hermes betont.

„Im Trubel der Innenstadt ist unsere Kirche eine Oase der Ruhe, wohin jeder kommen kann und man nichts kaufen muss“, sagt er. Hermes ist zuversichtlich, dass dieses Angebot auch angenommen wird und die Menschen, die sich während der Pandemie zurückgezogen haben, wiederkommen werden. Das hängt auch davon ab, ob es gelingt, das vom Stadtdekan gegebene Versprechen einzulösen, „hellhörig zu sein für die Probleme der Stadt“. Christian Hermes versteht die Erneuerung des Kirchenraums auch als inhaltliches Aufbruchssignal für seine Kirche: „Wir wollen eine zeitgenössische Kirche sein, die den Menschen nicht auf die Nerven geht, sondern ihnen hilft“, sagt er. Außerdem soll der zuletzt in den Hintergrund getretene ökumenische Gedanke wieder größeres Gewicht bekommen.

Für die Renovierung hat die Gemeinde ihr Sparschwein geschlachtet

Die neue Qualität von St. Eberhard hat ihren Preis. Rund 940 000 Euro werden für die Aufhellung und Erneuerung fällig. Ein Drittel übernimmt das Bistum. Dazu fließen 100 000 Euro aus dem Nachhaltigkeitsfonds der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Das Stadtdekanat ist mit 176 000 Euro beteiligt. Ein Drittel muss die Domgemeinde selbst aufbringen. „Wir haben unser Sparschwein geschlachtet“, sagt Hermes. Das reicht aber noch nicht. Rund 70 000 Euro sollen über Spenden beigesteuert werden.

Die Geschichte der Kirche

Domkirche St. Eberhard
Die Anfänge von St. Eberhard in der Königstraße liegen im Jahr 1811 und sind gewissermaßen evangelisch. Die Kirche war im Kern nämlich eine evangelische Garnisonskirche, die ursprünglich bei Schloss Solitude stand, dort abgetragen und in der Königstraße wieder aufgebaut wurde. Erhalten hat sich davon der Grundriss und das Türmchen mit der Spitzkuppel. Die 1933/34 in neoklassizistischem Stil umgebaute Kirche fiel 1944 zwei Bombenangriffen zum Opfer. Nach dem Krieg folgte der Wiederaufbau. 1955 wurde die Kirche eingeweiht. Ein bedeutendes Datum war 1978, als St. Eberhard Konkathedrale wurde und damit zweite Bischofskirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart nach St. Martin in Rottenburg. Im Zuge einer grundlegenden Umgestaltung 1990/91 erhielt die Kirche ihre heutige Gestalt. Das Gotteshaus hat einen dreifachen Charakter: Es ist Pfarrkirche der rund 3300 Mitglieder großen Gemeinde St. Eberhard, zentrale Kirche der Katholiken in Stuttgart und Bischofskirche, von der nach den Worten von Stadtdekan Hermes eine enorme Sogwirkung ins Umland ausgeht. Mit 130 000 Gottesdienstbesuchern ist St. Eberhard nach Angaben des Stadtdekanats die meistbesuchte Kirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Dazu trägt bei, dass die Domkirche St. Eberhard mit Domchor, der Domkapelle, der Mädchenkantorei und der Domsingschule ein Zentrum der katholischen Kirchenmusik in Stuttgart ist. red