Donald Trump muss sich von seinen Geheimdienstchefs sagen lassen, dass er „Nonsens“ redet. Doch der US-Präsident versucht unbeirrt, seine Weltsicht als Wahrheit zu verkaufen, kommentiert Karl Doemens.

Washington - Barack Obama wurde nicht in den USA geboren. Die Arbeitslosenquote in Amerika liegt „bei 25 Prozent oder wahrscheinlich höher“. Die Abschaffung von Obamacare wird eine „Versicherung für jeden zu niedrigeren Kosten“ schaffen. Und im größten Politskandal seit Watergate hat Ex-Präsident Barack Obama seinen Gegenkandidaten abhören lassen. Alles Unsinn? Stimmt! Oder doch nicht?

 

Immerhin hat das alles der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, gesagt. Die Kollegen von der Washington Post führen akribisch Buch: Seit dem Amtsantritt Trumps vor 61 Tagen haben sie 247 falsche oder irreführende Äußerungen gezählt. Viele Behauptungen sind aberwitzig verzerrt wie die Arbeitslosenquote, die selbst auf dem Höhepunkt der globalen Finanz- und Immobilienkrise 2009 nie über zehn Prozent kletterte. Manche sind komplett falsch zugeordnet. Wieder andere Beschuldigungen sind frei erfunden – wie der angebliche Abhörskandal.

Atemberaubende Inflationierung der Lüge

„Wir haben keine Informationen, die diese Behauptung unterstützen“, hat der oberste US-Polizist, FBI-Chef James Comey, unter Eid zu Protokoll gegeben. Sein Kollege Mike Rogers, der Boss des Auslandsgeheimdienstes NSA, nannte Trumps Hilfskonstruktion, Obama habe das Telefon seines Gegenkandidaten von ausländischen Agenten anzapfen lassen, schlicht „Nonsens“. Damit ist erstmals amtlich festgestellt: Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist ein Lügner.

Na und?, mögen Zyniker einwenden: Haben nicht viele Politiker ein gebrochenes Verhältnis zur Wahrheit? Tatsächlich gehören gebrochene Versprechen zur politischen Realität. Wird ein Akteur aber öfter der Irreführung überführt, leiden normalerweise seine Glaubwürdigkeit und seine Reputation. Bei Trump ist das bislang anders. Durch die atemberaubende Inflationierung der Lüge hat der Präsident die Wahrnehmungsgrenzen verschoben. „Ich spiele mit der Fantasie der Menschen“, hat er einmal gesagt. War es wirklich so? Oder hätte es nicht so sein können?

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Die Medien, hämmert er täglich ins Bewusstsein, verbreiten „Fake News“,  Falschmeldungen. Wem also soll man glauben? Zunehmend verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Fiktion – ein besorgniserregender Zustand für eine Demokratie. Zwar leisten die von Trump diffamierten Medien großartige Arbeit bei der Aufklärung.  Aber bevor die Enthüllung irgendeine Wirkung entfalten kann, setzt Trump die nächste, noch größere Lüge drauf.

Was Menschen in Stuttgart von Donald Trump halten, sehen Sie in der Video-Umfrage:

Über die Motive des Präsidenten lässt sich nur spekulieren

Obama wurde doch in den USA geboren? Ja klar! Aber es war Hillary Clinton, die daran gezweifelt hat. Das klingt so wahnwitzig, dass jeder Filmproduzent das Drehbuch ablehnen würde. In Trump-Land gehört die Beleidigung der menschlichen Intelligenz inzwischen zum Alltag. Über die Motive des Präsidenten lässt sich nur spekulieren. Natürlich kann er mit einer steilen These jederzeit von anderen, unangenehmeren Themen ablenken. Auch lassen sich politische Gegner auf diese Weise diskreditieren. Doch nicht jede morgendliche Twitter-Botschaft lässt ein derart zynisch-rationales Muster erkennen.

Bisweilen muss man glauben, dass Trump auf paranoide Weise selbst in seiner konspirativen Welt gefangen ist und die Gerüchte ultrarechter Talk-Radios nicht von Fakten unterscheiden kann. „Nonsens!“ Dieser beispiellose Weckruf seiner Sicherheitsorgane wird Trump nicht davon abhalten, die Öffentlichkeit mit der nächsten Behauptung in die Irre zu führen. Doch der anhaltende, sachlich begründete Widerspruch von Gerichten, Behörden und Medien beginnt am Nimbus des Anti-Establishment-Präsidenten zu kratzen. In einer aktuellen Umfrage bewerten nur noch 37 Prozent der Amerikaner seine Arbeit positiv. Das immerhin lässt hoffen – auch wenn Trumps Antwort postwendend kam: Fake News – Falschmeldung!