Die Freiburger Kommission erhält in der Doping-Affäre rund 5000 Seiten Lesestoff. Zum ersten Mal kann sich das ganze Gremium einen Überblick über die mutmaßlich illegalen Praktiken einiger Vereine - darunter angeblich auch der VfB Stuttgart - in der Fußball-Bundesliga machen.

Stuttgart - In der Doping-Affäre der Fußball-Bundesliga kann sich die Freiburger Untersuchungskommission in den nächsten Tagen erstmals selbst ein detailliertes Bild der brisanten Akten machen. Wie die Vorsitzende des Gremiums, Letizia Paoli, in einem am Sonntag veröffentlichten Brief an die Anti-Doping-Kommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) schrieb, erhält der Ausschuss „nächste Woche rund 5000 Seiten Kopien“.

 

Dem Wunsch des DFB und SC Freiburg nach Akten-Einsicht kann die Kommission nicht nachkommen, wie Paoli weiter erklärte. Zuvor hatte sich schon der VfB Stuttgart vergeblich um einen Einblick in die explosiven Unterlagen bemüht.

„Aufgrund der von jedem Kommissionsmitglied abgegebenen Erklärung zur Einhaltung der Archivauflagen kann und darf die Kommission Ihren Bitten nicht nachkommen. Andernfalls würde sie höchstwahrscheinlich ihren Aktenzugang verlieren“, schrieb Paoli an den Vorsitzenden der Anti-Doping-Kommission des DFB, Rainer Koch. Der Verband könne sich indes an das Staatsarchiv Freiburg wenden und dort um eine Verkürzung der Sperrfristen bitten.

In einer Replik an den Präsidenten des SC Freiburg, Fritz Keller, mahnte die Kommissionsleiterin zur Geduld: „Es kann nicht Aufgabe der Kommission sein, sich in einen Erst-Veröffentlichungs-Wettbewerb zu stürzen. Die Kommission unterliegt nicht dem öffentlichen Geltungsbedürfnis einzelner Mitglieder, sondern höchsten Ansprüchen an wissenschaftlicher Sorgfältigkeit und Verantwortung.“

Schriftstück seit Ende 2014 im Staatsarchiv Freiburg

Einem Zwischenbericht der Untersuchungskommission zufolge, der vom Gremiumsmitglied Andreas Singler am vergangenen Montag offensichtlich im Alleingang veröffentlicht wurde, sollen der VfB Stuttgart und SC Freiburg in den späten 1970er und frühen 80er Jahren in unterschiedlichem Rahmen Anabolika-Doping betrieben haben. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) steht zudem im Verdacht, organisiertes Doping mit anabolen Steroiden betrieben zu haben. Beide Vereine haben sich entschieden von möglichen Praktiken distanziert. Der BDR verwies auf seinen aktuellen Anti-Doping-Kampf.

Erstmals kann sich die Kommission bald selbst ein klares Bild der brisanten Schriftstücke machen. Außer Singler habe bislang kein Kommissionsmitglied Zugang zu den Akten gehabt, geschweige denn die Originale in Händen halten können, erläuterte Paoli. „Eben heute wurde mir angekündigt, die Kommission werde nächste Woche rund 5000 Seiten Kopien erhalten. Erst auf dieser Grundlage können sich alle Kollegen ein eigenes Bild der Aktenlage machen. Bislang lagen uns nur Notizen Dr. Singlers zu seiner Einsicht in die Akten vor.“ Allein darauf beziehe sich ihre Aussage, dass die erhobenen Doping-Vorwürfe ihrer Kenntnis nach durch die Unterlagen auch belegt seien.

Bericht noch in diesem Jahr öffentlich

Die hochbrisanten Schriftstücke befinden sich seit Ende 2014 im Staatsarchiv Freiburg. Es handelt sich dabei um Akten zum 1984 eröffneten und 1989 mit einer Geldstrafe abgeschlossenen Strafverfahren gegen den früheren Sportmediziner Armin Klümper, der in der jüngsten Affäre als potenzielle Schlüsselfigur gilt. Die Öffentlichkeit und insbesondere der VfB Stuttgart und SC Freiburg sowie der Bund Deutscher Radfahrer haben Paoli zufolge „als direkt Betroffene einen fundamentalen Anspruch auf Zugang zu den Gesamtergebnissen der Kommissionsarbeiten“, versicherte sie. „Dies kann nur durch den Abschlussbericht erfolgen.“ Der Bericht könnte noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.