Stuttgart - Der frühere Doping-Dealer Stefan Matschiner bezweifelt, dass das in Erfurt aufgeflogene Dopingnetzwerk die Ermittler noch lange beschäftigen wird. „Aus meiner Erfahrung spricht die Zahl von 40 sichergestellten Blutbeuteln dafür, dass der Arzt Mark Schmidt maximal zehn Athleten versorgt hat“, sagte Matschiner im Interview mit unserer Redaktion, „das ist eine andere Größenordnung, als es damals beim spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes der Fall war.“
Deshalb geht der Österreicher, zu dessen Blutdoping-Klienten einst Radprofi Bernhard Kohl gehörte, davon aus, dass es vergleichbare Dopingnetzwerke auch noch anderswo gibt: „Ich bin mir sicher, dass jedes Land seinen Mark Schmidt hat, und in größeren Ländern gibt es sicher auch zwei von seiner Sorte. Denn der Bedarf ist da. Es gibt überall Sportler, die ihre Ziele nicht mit lauteren Methoden erreichen, also wählen sie die unlauteren – und sie suchen sich Leute, die ihnen dabei helfen.“
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Dass Mark Schmidt, dessen Name schon seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem Thema Doping in Verbindung steht, so lange unbehelligt blieb, wundert Matschiner nicht. „Der Leistungssport ist eine einzige Heuchelei. Kein Athlet, der es richtig anstellt, wird je positiv getestet, der Blutpass ist nur Augenwischerei“, erklärte er in dem Interview, „zugleich zeigt der Fall Mark Schmidt, dass der Markt Leute wie ihn fordert. Als ich vor zehn Jahren aufgehört habe, Sportler beim Dopen zu unterstützen, habe ich gesagt, dass sich dieses Vakuum füllen wird. Und, so ehrlich muss man sein, auch das Vakuum, das Mark Schmidt hinterlässt, wird sich wieder füllen. Leider.“
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Blutdoping erhöht die Leistungsfähigkeit nach den Erfahrungen Matschiners um ein bis zwei Prozent: „Ein Prozent bedeutet im 100-Meter-Lauf eine Verbesserung um eine Zehntelsekunde. Und bei einer sechsstündigen Tour-Etappe um dreieinhalb Minuten. Das sind Welten. Das ist Wahnsinn!“
Matschiner, der schon 2006 in den Dopingskandal um österreichische Wintersportler bei den Olympischen Spielen in Turin verwickelt war, fordert den Rücktritt von Peter Schröcksnadel, dem Präsidenten des Österreichischen-Ski-Verbandes. „Er ist ein Vorgesetzter, der seine Leute nicht im Griff hat, nie mitbekommt, wenn etwas falsch läuft, und nie etwas davon wissen will. In der Wirtschaft wäre es unvorstellbar, dass ein solcher Mann lange der Chef bleibt“, sagte Matschiner, „er hätte schon längst gehen müssen, und dass er dies selbst nicht begreift, ist für mich völlig unverständlich.“