Unser Redakteur sagt, für die Jagd nach Doping-Betrügern braucht es noch viel mehr Athleten, die auspacken und entsprechend geschützt werden.

Stuttgart - Es gab Fragen, die hat Oberstaatsanwalt Kai Gräber beantwortet: Demnach gehörten zum Erfurter Dopingnetzwerk mindestens 21 Athleten aus acht Nationen und fünf Sportarten, die Spur der Blutbeutel führt auch zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang und zum Ironman-Triathlon nach Hawaii. Es gab Fragen, die wollte der Chef der Münchner Dopingjäger nicht beantworten: Er nannte keine Namen, zudem bleibt weiterhin unklar, ob auch deutsche Topathleten unter den Betrügern sind. Und es gab eine Frage, die konnte Gräber nicht beantworten: Warum sich Mark Schmidt, der Sportmediziner aus Erfurt und mutmaßliche Kopf des Dopingnetzwerkes, bis zuletzt so sicher gefühlt hat?

 

Lösung liegt auf der Hand

Dabei liegt die Lösung auf der Hand: Weil sich lange, viel zu lange, niemand für ihn interessiert hat. Schon vor zehn Jahren beschuldigte der überführte Radprofi Bernhard Kohl den Sportmediziner, in die Dopingvorgänge beim damaligen Gerolsteiner-Team eingeweiht gewesen zu sein. Dessen Chef Hans-Michael Holczer warnte nach dem Ende seines Rennstalls bei jeder Gelegenheit vor dem doppelten Spiel des (Doping-)Doktors. Gekümmert hat das alles kaum jemanden. Nicht die staatlichen Ermittler. Nicht die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada). Und natürlich auch keinen Sportverband. Im Gegenteil. Der Landessportbund Thüringen ernannte die Praxis von Schmidt sogar noch zu seiner offiziellen Stelle für sportmedizinische Untersuchungen. Das ist an Absurdität nicht zu überbieten.

Noch ist offen, welches Ausmaß der Dopingskandal von Erfurt tatsächlich hat. Doch drei Dinge zeigt der Fall des Mark Schmidt ganz klar. Es verbietet sich künftig, von dopenden Einzeltätern zu sprechen. Es ist sinnlos, im Kampf gegen Doping auf die Nada zu bauen, und erst recht nicht auf die Selbstheilungskräfte des Sports. Und es braucht noch wirksamere Werkzeuge für Staatsanwälte, wenn großen Stars und weiteren Hintermännern wie Schmidt, von denen es noch viele geben dürfte, überführt werden sollen.

Kronzeugenregelung unabdinglich

Ins Anti-Doping-Gesetz muss deshalb dringend eine Kronzeugenregelung. Denn bisher waren Fahnder fast ausschließlich dann erfolgreich, wenn zuvor Athleten – wie zuletzt der Langläufer Johannes Dürr – ausgepackt haben. Das im Sport übliche Kartell des Schweigens zu durchbrechen, ist allerdings nur zu schaffen, wenn die Kronzeugen nicht die Angst haben müssen, selbst strafrechtlich verfolgt zu werden.