Maria-Cristina Hallwachs ist ein Beispiel dafür, wie mit Hilfe von Hightech der Alltag bewältigt werden kann. Die Rollstuhlfahrerin fungiert als Referentin.

Deckenpfronn - Die Moderatorin sitzt fast regungslos im Rollstuhl. Nur ihren Kopf kann sie leicht bewegen. Maria-Cristina Hallwachs ist 43 Jahre alt und querschnittsgelähmt. Körper kaputt gleich Leben kaputt? Nein, für sie gilt das nicht – und auch für viele andere nicht. Maria-Cristina Hallwachs ist aus Stuttgart angereist und leitet eine von 17 Arbeitsgruppen bei der Jahrestagung des Anthropoi Bundesverbands und der Anthropoi Selbsthilfe in der Dorfgemeinschaft Tennental.

 

Behinderte und Nichtbehinderte nehmen teil

220 Pädagogen, Therapeuten und Menschen aus Behinderteneinrichtungen sind bei der Tagung dabei. Darunter auch 70 Betroffene, sprich Teilnehmer mit einem körperlichen oder geistigen Handicap aus dem ganzen Bundesgebiet.

In den Arbeitsgruppen geht es um die Kernfrage, wie Menschen trotz einer Behinderung am Alltagsleben teilnehmen und ein so weit wie möglich selbstbestimmtes Leben führen können. Hallwachs widmet sich dem Thema elektronische Hilfe durch Roboter und Computerisierung. „Im Jahr 2030 werden Maschinen intelligenter als Menschen sein“, sagt die 43-Jährige.

Fachkräftemangel: Roboter als Ausweg?

Die Teilnehmer haben einen Stuhlkreis gebildet und lauschen ihren Ausführungen. „Was kennen wir schon heute an technischen Unterstützungsystemen?“, fragt sie sie in die Runde. „Ich kann mit dem Smartphone sprechen – und es sagt mir, wie das Wetter ist“, berichtet ein blinder Teilnehmer. Einem anderen fallen Pflegeroboter ein. „Eines Tages wird man sich die Ressource Mensch sparen können“, wirft er ein. Für ihn sei es aber „eine Horrorvorstellung“, von einem computergesteuerten Helfer den Po abgewischt zu bekommen.

Doch zurzeit herrscht in der Pflege Fachkräftemangel, besonders auch für Menschen mit Assistenzbedarf, wie Behinderte neuerdings genannt werden. Darauf weist Hans Gunsch vom Karl Schubert Seminar in Wolfschlugen hin, wo Heilerziehungspfleger ausgebildet werden. Laut dem Mitglied im Anthropoi Bundesverband kann jeder seiner 80 bis 100 Absolventen im Jahr bundesweit unter zwei bis drei Beschäftigungsangeboten auswählen. Die insgesamt 18 Schulen im Bundesgebiet bringen laut Gunsch zu wenig Nachwuchskräfte hervor.

Mit 18 Jahren wurde sie querschnittsgelähmt

Mensch sein und Mensch bleiben, das wird bei Anthropoi groß geschrieben. „Wir benötigen ein einfühlsames Verstehen und ein rücksichtsvolles Handeln, damit Vertrauen und Zuversicht wachsen können, sowohl in unseren persönlichen Beziehungen, als auch in der Gesellschaft“, lautet das Credo des Bundesverbands. Können Roboter dieser Aufgabe gerecht werden?

Mit 18 Jahren war das Leben für Maria-Cristina Hallwachs nach einem Unfall fast vorbei. Sie ist aber nun in der Lage, ihren Rollstuhl dank Hightech selbst zu bewegen und zu steuern. Sie schreibt mit Hilfe einer Mundmaus und kann dank einer Zwerchfellnervenstimulation sprechen. So zeigt sie eindrucksvoll, wie sich die Welt auch für Menschen mit Einschränkungen öffnen kann – mit Hilfe der Elektronik schafft es Maria-Cristina Hallwachs, den Alltag zu meistern. Einen Roboterarm am Rollstuhl braucht sie vorerst nicht. „Mein Selbstwertgefühl ist nicht gemindert, wenn mir meine Betreuerin etwas zu trinken gibt.“ Roboter, so ist die Mehrheitsmeinung in der Runde, können menschliche Pflege und Zuwendung nicht ersetzen.

Gleiche Förderung für geistig Behinderte

Hallwachs Schwester ist geistig behindert. Ziel ist es, für sie die gleichen Möglichkeiten zur Teilnahme am Leben zu schaffen wie für körperlich Behinderte. Dazu bedarf es einer ausreichenden finanziellen Unterstützung. Anthropoi setzt sich für eine entsprechende Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ein. Maria-Cristina Hallwachs hat in ihrer Gruppe den Diskurs angeregt und Hoffnung auf die Zukunft gemacht: „Mit Technik wird heute vieles möglich.“ Selbst wenn man sich fast nicht bewegen kann.

Die Aktiven bei Anthopoi fördern Therapie und Austausch

Bundesverband:
In dem Verband anthroposophisches Sozialwesen e.V. (kurz Anthropoi Bundesverband) sind derzeit 173 Träger mit 255 Einrichtungen zusammengeschlossen. Darin leben, lernen und arbeiten rund 16 000 Menschen mit geistiger, seelischer oder mehrfacher Behinderung. Der Verband fördert die Entwicklungsbedingungen von Menschen, Initiativen und Einrichtungen in ihrer pädagogischen, heilpädagogischen, therapeutischen und sozialen Arbeit. Dabei ist der fachliche Austausch mit Konferenzen und Arbeitsgruppen wichtig sowie der wissenschaftliche Diskurs in der Forschung und bei Tagungen und Projekten.

Selbsthilfe:
Die Bundesvereinigung Selbsthilfe im anthroposophischen Sozialwesen (kurz Anthropoi Selbsthilfe) ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss von mehr als 70 Vereinen, der seit 40 Jahren besteht. Die Mitglieder sind Menschen mit Assistenzbedarf und Eltern, Angehörige, Betreuer und Freunde. Die Einrichtung setzt sich für die Belange von Menschen mit Handicap ein sowie für Angehörige. Selbstbestimmung und Teilhabe sind die Ziele.