Der kongolesische Choreograf, Autor und Tänzer war Protagonist der vom Esslinger Podium-Festival verantworteten Produktion „Herkules von Lubumbashi“. Jetzt ist der ehemalige Stipendiat der Akademie Schloss Solitude im Alter von nur 31 Jahren gestorben.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Der kongolesische Choreograf, Autor und Tänzer Dorine Mokha war Protagonist der Produktion „Herkules von Lubumbashi“, die der mit dem Komponisten Elia Rediger für das Esslinger Podium-Festival verantwortete. Auch bei internationalen Gastspielen hat der junge kongolesische Künstler, der 2014/15 Stipendiat der Akademie Schloss Solitude war, bei vielen Menschen Eindruck hinterlassen – auf der Bühne wie in der persönlichen Begegnung.

 

Das Esslinger Podium-Festival ist tief betroffen über den Verlust des Künstlers, der am 8. Januar im Alter von 31 Jahren in Lubumbashi starb. In seiner Mitteilung zitiert das Festival den Dorine Mokha: „Die Utopie gibt uns die Möglichkeit uns vorzustellen, dass nicht alles immer genau so weiter gehen muss und welche Weichen wir heute stellen könnten, damit die Zukunft anders verlaufen könnte. Im Kongo redet man viel zu oft von Hoffnung, um zu verhindern, dass jemand irgendetwas unternimmt, um die Dinge mal zu verändern. Hoffen, genauso wie glauben, heißt auch immer stillstehen und warten. Die Utopie kann viel mehr verändern, indem sie aufzeigt, was ich heute tun kann.“ Das sagte Dorine Mokha 2019 im Gespräch zu dem Stück „Herkules von Lubumbashi“, das er gemeinsam mit dem Komponisten Elia Rediger konzipierte und im September 2019 in Esslingen zur Uraufführung brachte. Die Kraft, mit seinem Schaffen diese Weichen zu stellen, auch wenn die Hindernisse unüberwindbar scheinen, zeigte Mokha nicht nur in seiner Kunst, sondern auch im Leben.

Er wollte zu seinem Land sprechen

Einer Schweizer Journalistin antwortete Dorine Mokha auf die Frage nach seinem Auskommen einmal: „Wie ich überlebe? Ich reise! Ich verdiene im Ausland Geld, gehe dann nach Hause und versuche, unentgeltlich Workshops anzubieten. Ich will dort meine Arbeit präsentieren, weil ich auch das Bedürfnis habe, zu meinem Land zu sprechen.“ Im Ausland, so Mokha, könne er auf Distanz zum Unrechtsregime in seiner Heimat gehen. „Ich kehre dann mit neuer Energie, mit neuem Wissen und mit der Technik neuer Strategien wieder zurück. Ich will nicht sterben für mein Land, ich ziehe es vor, am Leben zu bleiben und Teil seiner Veränderung zu sein.“

In seinem dreiteiligen autobiografischen Solo „Entre Deux“ verhandelte Dorine Mokha das schmerzhafte Spannungsverhältnis zwischen der eigenen Identität und dem repressiven Druck der kongolesischen Gesellschaftsrealität. Der entstandene Tanz war auch ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Homophobie sowie ein Zeichen für LGBT-Personen, die in Stille leiden. Das Ansprechen eines Tabuthemas war für Mokha persönlich der Beginn eines neuen Lebens, wie er notierte. „Ich bin kongolesischer Staatsbürger und Künstler, männlich ... und homosexuell. In der Lage zu sein, diesen Satz in meinem Umfeld zu sagen und ihn täglich zu leben, hat mir das Leben gerettet, trotz der Aggressionen und Ablehnungen, die ich täglich erlebte. Ich bin was ich bin. Ich habe Jahre gebraucht, um zu lernen, es zu akzeptieren und zu leben, trotz all der mentalen und physischen Barrieren, die die Gesellschaft im Namen religiöser Überzeugungen, moralischer Gesetze und traditioneller Bräuche um mich herum aufgebaut hat.“ Nun ist diese starke kongolesische Stimme verstummt. Mit dem jungen Choreografen, Autoren und Tänzer verliert nicht nur das postdokumentarische Musiktheater eine wichtige Stimme, sondern auch die kongolesische Kunstszene eine bemerkenswerte und mutige Figur.