Sie sind eine Frau, die gerne offen Ihre Meinung sagt. Wie leben Sie mit der fehlenden Reibung wenn Sie in Japan sind?
Na ja, ich fange eben trotzdem immer an zu diskutieren und zu lamentieren. Ich halte es manchmal auch nicht so gut aus. Wenn ich länger da bin, ertrage ich auch den japanischen Rassismus nicht besonders gut. Gleichzeitig gibt es diese große Aufmerksamkeit dem anderen gegenüber: Wie geht es dem anderen? Erst dann denke ich an mich. Das beeindruckt mich immer wieder. Wie so viele andere japanische Haltungen. Wenn uns kalt ist, dann drehen wir die Heizung auf. Der Japaner zieht sich wärmer an. Er verlangt nicht, dass sich die Umgebung nach ihm richtet.
Die Rolle der Frau in Japan ist eine andere als in Europa. Welche Erfahrungen haben Sie dort als Regisseurin gemacht?
Wenn ich mit lauter Männern, die mit den Dreharbeiten zu tun haben, einen Raum betrete, werde ich nicht begrüßt.
Warum nicht?
Sie nehmen an, dass ich die Assistentin bin und keine Funktion habe. . . (lacht). Wenn herauskommt, dass ich die Chefin bin, ist das dann allen ungemein peinlich. Das ist ganz schrecklich.
Und wie reagieren die Männer dann?
Die gehen alle. Das ist so peinlich, dann verlassen alle den Raum. Japan ist noch eine irrsinnige Macho-Kultur. Wahnsinnig.
Trotzdem lieben Sie dieses Land.
Ich finde die ständige Ambivalenz der Dinge in Japan sehr faszinierend. Wunderbare Ästhetik und irrsinnige Trash-Kultur sind eines dieser Gegensatzpaare. Oder massive Naturverwüstungen und die Anbetung der Natur, die sich als kleiner angelegter Garten in einem Teller zeigt.
Welche Überschneidungen gibt es zwischen der jungen Doris Dörrie und der jungen Protagonistin im Film?
Es gibt eine sehr offensichtliche Überschneidung. Es war und ist auch meine Rolle, als große Frau aus dem Westen in Japan immer als „Elefant“ wahrgenommen zu werden. Denn auch nach etlichen Besuchen in diesem Land kann ich nicht alles richtig machen. Das ist nun einmal die traditionelle Rolle des Westlers, der Langnase. In Japan geht es immer um drinnen und draußen. Der Fremde ist derjenige, der draußen ist. Man kann als Ausländer nie nach innen kommen.