Enzweihingen hat mit seinem Mini-Einkaufsmarkt in der Ortsmitte Erfolg – und dient als Vorbild für andere. Auch in Kirchheim am Neckar will man nach Vorbild des Vaihinger Stadtteils einen alten Laden wiederbeleben. Der Aufwand ist enorm.

Vaihingen/Enz - Unsicher schleicht ein etwa siebenjähriger Bub, dunkle Haare, dunkler Anorak, um die Regale. Da beugt sich ein älterer Herr, Glatze, grauer Vollbart, zu ihm herunter und fragt: „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Der Bub bejaht. Er brauche keine Süßigkeiten, sondern eine Schachtel Eier. Wilfried Breit lotst ihn zum richtigen Regal. Der Junge zahlt und geht.

 

Situationen wie diese sind typisch für den Enzweihinger Dorfladen. Dort, wo einst die Drogeriekette Schlecker eine Niederlassung hatte, hat sich ein Prototyp der neuen Einkaufskultur niedergelassen. Der Dorfladen ist eine Art Tante-Emma-Laden mit genossenschaftlich getragenem Hintergrund. Vor fast genau einem Jahr hat das 200-Quadratmeter-Geschäft eröffnet. Gewinn hat er immer noch keinen erwirtschaftet. Bleiben wird er trotzdem. „Wir sind froh, wenn wir die Schwarze Null erreichen“, sagt Wilfried Breit, der ehrenamtlich als Geschäftsführer des Ladens fungiert. Der Dorfladen im Vaihinger Stadtteil Enzweihingen ist der lebhafte Beweis für eine buchstäbliche Marktlücke. Von einem Zwerg-Vollsortimenter kann eigentlich niemand leben. Gebraucht wird er trotzdem. „Unsere Mitarbeiterinnen kommen alle aus dem Ort“, sagt Wilfried Breit, „viele kennen ihre Kunden – das ist das Tolle hier, dass es persönlicher ist.“

90 000 Euro als eiserne Reserve

Der ehemalige Sparkassenmitarbeiter ist durchaus zufrieden mit der Resonanz auf den neuen Laden. „Der Oktober war ein Rekordmonat, noch besser als das Weihnachtsgeschäft letztes Jahr.“ Rund 40 000 Euro Umsatz habe der Laden da gemacht. Üblich seien 30 000 bis 33 000 Euro im Monat. Der kleine Dorfladen hat zwei große Pfunde, mit denen er wuchern kann. Erstens das Ehrenamt: neben Wilfried Breit engagieren sich noch andere für den Laden, ohne dafür Geld zu verlangen. Zweitens die genossenschaftliche Rückendeckung: etwa 280 Bürger aus dem Ort haben sich als stille Gesellschafter in das Projekt eingebracht, jeweils mit 150 bis 5000 Euro. Hinzu kam die Stadt Vaihingen, die das Projekt von Anfang an unterstützt hat, mit 25 000 Euro, so dass der Dorfladen über 90 000 Euro Rücklage verfügt – „als Reserve, wenn es mal eng wird“, wie Wilfried Breit erläutert.

Die Strahlkraft des Enzweihinger Modells reicht bis weit über die Vaihinger Stadtgrenzen hinaus – und hat schon Kirchheim am Neckar erreicht. „Enzweihingen ist unser Ideengeber“, sagt der Kirchheimer Bürgermeister Uwe Seibold. Er würde das Dorfladen-Modell gerne auf das leer stehende Geschäft neben dem Rathaus übertragen. Im Oktober wurde dafür eine Trägergesellschaft gegründet – wie in Enzweihingen eine Unternehmensgesellschaft mit stillen Teilhabern. Laut dem Bürgermeister gibt es bereits 14 ehrenamtliche Bürger, die sich in einem Arbeitskreis für den Dorfladen engagieren. Die erste große Hürde für die Wiederbelebung des 400-Quadratmeter-Geschäfts, in dem zuvor ein Bonus-Markt war, sei genommen. Mindestens 50 000 Euro Startkapital müssen gesammelt werden. „Ich bin überzeugt, dass wir uns auf 100 000 Euro zubewegen“, sagt Uwe Seibold. Das Ziel sei eine Eröffnung Ende Januar.

Jeden Tag ein Lächeln nach der Arbeit

Wenn es gut läuft, könnten sich also auch in Kirchheim am Neckar bald Szenen wie im Enzweihinger Dorfladen abspielen. „Ich bin froh, dass es den Laden hier gibt, ich komme gerne hierher“, sagt eine Seniorin. Und bei der Frage, ob sie nicht an der Kasse im Discounter mehr verdienen könne, winkt die Dorfladen-Mitarbeiterin Verena Zinke-Hammel lachend ab: „Ich laufe hier jeden Tag mit einem Lächeln raus – was will ich mehr?“