Cindy und Carsten Schöll sind Drachenfans. Das Böblinger Ehepaar reist schon seit Jahrzehnten zu Festen, auch im Ausland. Beim Malmsheimer Drachenfest haben die beiden ein Heimspiel.
Der Wohnwagen von Cindy und Carsten Schöll ist auf dem Malmsheimer Flugplatz wahrlich nicht schwer zu finden. Eine Schar von 50 Windteufelchen flattert davor lustig vor sich hin, flankiert von fünf großen, roten Bannern. Außerdem verraten beim Drachenfest direkt am Bosch-Entwicklungszentrum zwei weitere Fahnen die Vornamen der beiden Protagonisten. Wer nach all diesen Hinweisen noch immer sucht, wird bei den riesigen, roten Teufelsfiguren fündig, die sich auf dem abgesperrten Bereich für Großdrachen in die Luft erheben. Für gewöhnlich findet man das Böblinger Ehepaar, das sich „Die Teufelflieger“ nennt, dann am unteren Ende der Schnur.
Das Ehepaar war „bestimmt schon 20 Mal“ beim Drachenfest in Malmsheim
Bei der 30. Ausgabe des Drachenfests in Malmsheim sind die beiden natürlich mit von der Partie. „20 Mal waren wir bestimmt schon hier“, sagt Carsten Schöll am Samstagnachmittag, „für uns ist das hier ein absolutes Heimspiel.“ Im Gepäck haben sie neben den 50 Teufelchen 15 größere und vier gigantische Teufel – und rund 200 weitere Drachen, die aber wahrscheinlich an den beiden Festtagen trotz fast perfekten äußeren Bedingungen nicht alle zum Einsatz kommen. Außerdem darf Canilo-Hündin Jayla nicht fehlen. Sie beobachtet das Treiben am Himmel angeleint in der Nähe des Wohnwagens.
Den Heiratsantrag gab es per Drachen
Seit 2009 ist das Paar gemeinsam in Sachen Drachen unterwegs. 2013 gab es sogar Carsten Schölls Heiratsantrag mit einem Drachen, beleuchtet in schöner Abendstimmung. „Das war bei einem Drachenfest in Idar-Oberstein, da kam sogar extra ein Fernsehteam vorbei“, erinnern sich beide. Die Schölls betreiben ihr Hobby mit Leib und Seele. Doch nicht nur das: Cindy Schöll hält per Funkgerät ständig Verbindung zu den Mitorganisatoren. Sie ist dieses Wochenende Gruppenleiterin für die Nachtflüge.
Beim Malmsheimer Drachenfest fühlt sich das Ehepaar zu Hause – was auch daran liegt, dass die gesamte deutsche Drachenszene wie eine große Familie ist und quasi jeder jeden kennt. Man geht entspannt miteinander um, auch wenn sich mal ein paar Schnüre verheddern. Die bestehen übrigens häufig aus der synthetischen Chemiefaser Dyneema. Die ist robust, kommt unter anderem auch in Fischernetzen und Angelschnüren zum Einsatz. „Wenn sich ein Kinderdrachen mit seiner Nylonschnur damit verfängt, können sie aber aufgrund der Reibungshitze reißen“, weiß Carsten Schöll.
Da ergibt es noch mehr Sinn, dass die „Profis“ auf dem zentralen Festareal auf vielen Quadratmetern unter sich sind. In die Höhe geht es in Malmsheim dann bei einigen bis auf 300 Meter. Beim riesigen Meeting auf der dänischen Insel Fanø habe laut Carsten Schöll ein Teilnehmer seinen Drachen schon auf 1,5 Kilometer steigen lassen. „Den hat man dann aber kaum mehr gesehen“, erinnert er sich. Auf Fanø waren die Schölls schon einige Male dabei. Dorthin kommen stets rund 4000 Teilnehmende, in der Luft sind dann rund 20 000 Drachen, verteilt über viele Kilometer Strand. Generell kommt man als Drachen-Fan und -Pilot ziemlich rum. „Wir waren an den vergangenen zehn Wochenenden immer irgendwo anders bei einem Treffen“, berichtet das Duo.
Beim Drachenfest präsentieren sich auch die Ausrichter vom Sportfliegerclub
In Malmsheim gingen rund 140 Anmeldungen bei den Ausrichtern vom Sportfliegerclub ein. „Mit je zwei bis drei Personen pro Meldung“, fügt Jan Trachte, einer der Hauptorganisatoren, hinzu. Er schätzt: „Es dürften dann zu Hochzeiten etwa 200 Drachen der Teilnehmer in der Luft sein – plus tausende Kinderdrachen.“ Knapp 60 Helfende des Vereins sind an den beiden Tagen voll im Einsatz, um den erwarteten Ansturm von zwischen 30 000 und 40 000 Besuchern zu stemmen. Und auch die Sportflieger selbst präsentieren sich, unter anderem mit einem Segelflug-Simulator.
Auch wenn ein großer Profi-Drachen nicht so teuer ist wie ein Segelflugzeug – es geht durchaus um deutlich vierstellige Beträge. Nicht ganz so teuer ist ein professioneller Lenkdrachen – eine Materie, mit der sich Carsten Schöll in der Vergangenheit ebenfalls beschäftigt hat. Auch das gibt es in Malmsheim zu bestaunen: beeindruckende Wettkämpfe im Einzel- und Synchronflug. Außerdem im Einsatz sind die japanischen Rokkaku-Kampfdrachen. Hier lautet das Motto: Es gewinnt, wer am Ende noch fliegt.
Ansonsten gibt es kaum etwas, was es nicht gibt: Wale, eine riesige Katze, Dagobert Duck, eine Gummibärchentüte, Drachen-Drachen, Bären, Mantarochen, Schlangen, Sterne, Haie – die Vielfalt ist fast schon verrückt. Da fügen sich die Schöllschen Teufel nur zu gut ein. Die hat das Ehepaar vor etwa 15 Jahren aus einem Nachlass übernommen und sich damit das eigene Teufelflieger-Motto aufgebaut.
Drachenpionier aus Neuseeland
Abseits der Drachenfliegerei arbeitet Carsten Schöll als selbstständiger Versicherungsfachwirt, Cindy Schöll ist bei einem Karosserie- und Lackierbetrieb im Büro tätig. An zahlreichen Wochenenden im Jahr streifen sie sich dann jedoch ihre roten Pullis über und halten ihre Drachen in den Wind. Und sie freuen sich über historische Fluggeräte und über Neuerungen gleichermaßen.
Viele Drachen stammen mittleweile aus China
Vieles beziehen sie selbst dabei aus China – der voluminöse Bär und der majestätische Rochen nebenan stammen laut Carsten Schöll hingegen aus Neuseeland. Das hat unter anderem den Hintergrund, dass in Person von Peter Lynn einer der Drachenpioniere schlechthin von dort stammt. Die Schölls nähen ihre Drachen nicht selbst – einige andere Teilnehmende in Malmsheim tun das hingegen ebenfalls.
So langsam ist es richtig voll auf dem Gelände des Malmsheimer Flugplatzes. Kinder, Eltern, Jugendliche, alle tummeln sie sich hier. Das Drachenfest, ein echtes Familienfest – nicht nur für die Drachenszene.
Teufelflieger im Internet
Online
Wer wissen möchte, was Cindy und Carsten Schöll so alles in die Luft lassen und wo sie unterwegs sind, schaut im Internet auf der Videoplattform Youtube vorbei – und sucht nach „Teufelflieger Böblingen“. Alles Weitere ist dann selbsterklärend – und liefert teils beeindruckende Bilder.