Informativ bis heiter: Mit einem entspannten Abend ist das neue, medienübergreifende Fantastik-Festival, die Dragon Days, im Stuttgarter Literaturhaus eröffnet worden.

Stuttgart - Mit ziemlichem Vergnügen denkt der Stuttgarter Verleger Michael Klett an eine gescheiterte Erziehungsmaßnahme zurück. Zum Auftakt der Dragon Days, des neuen, medienübergreifenden Fantastik-Festivals, erzählt er dem Literaturkritiker Denis Scheck, wie ihn sein Vater Ernst Klett 1965 erst nach England und dann in die USA schickte, um das nüchtern Kaufmännische des Büchermachens zu erlernen. Michael Klett aber kam in den USA mit dem Fantasy-Werk des Briten J.R.R. Tolkien in Kontakt.

 

Auf Schecks Frage, womit diese Lektüreerfahrung die meiste Ähnlichkeit gehabt habe, antwortet der in großer Hitze sehr korrekt gekleidete Klett mit der Ruhe des Mannes, der keine Taschenkontrolle mehr zu fürchten hat: „Mit Timothy Learys LSD-Texten.“ Überhaupt ist die Gesprächsatmosphäre locker, heiter, nie von jenem Richtschwertwetzen durchschnarrt, das Literaturgespräche auf Podien gerne prägt.

Michael Klett hat damals den Vater erfolgreich bedrängt, „beim Wein, zu später Stunde“, Tolkien ins Programm zu nehmen. Daraus wurde ein Langzeiterfolg, und Klett-Cotta widmete der Fantasy eine eigene Reihe, die Hobbit Presse, deren VierzigJahr-Jubiläum gerade mit einer „Hobbit“-Sonderausgabe begangen wird.

Die gute Laune hält an

Aus diesem Vorgänger des „Herrn der Ringe“ liest Andreas Fröhlich, der Gollum in Peter Jacksons Tolkien-Verfilmung seine deutsche Stimme gab. Er trägt Bilbos erste Begegnung mit dem Scheusal vor, was ihm viel Gelegenheit zum Schmatzen, Röcheln, Knurren, Kieksen, Maunzen und Geifern gibt. Das Gesicht von Scheck erblüht einige Male in kindlicher Freude.

Die gute Laune hält auch an, als Sebastian Badea vom Stuttgarter Postproduktionshaus Unexpected vorführt, wie das Kino künstliche Kreaturen wie Gollum erzeugt. Bevor am Bildcomputer die äußere Hülle der Wesen entsteht, spielen Menschen die Bewegungen in den Rechner ein. Sensoren an der Kleidung übertragen Bewegungsinformationen an ein virtuelles Gliederpüppchen. Unexpected arbeitet nicht für Spiel-, sondern für Industrie- und Werbefilme und ist vor allem international gefragt. Deutsche Auftraggeber haben sie weniger, „die trauen sich nicht, so verrückte Sachen zu machen“, sagt Badea mit Blick auf einen türkischen Spot, in dem sich eine Spülmaschine in einen fliegenden Roboter verwandelt und mit einem Abfangjäger tändelt. So hören denn auch viele Besucher erstmals, dass es Unexpected überhaupt gibt. Tobias Wengert, Kurator der noch bis Sonntag laufenden Dragon Days, sieht auch das als Teil seiner Aufgabe: klarzumachen, wie viel Fantastik-Kompetenz in Stuttgart gebündelt ist.