Der kleine Julen ist beigesetzt worden. Sein Tod entsetzt und empört die Menschen. Die Spanier diskutieren, ob das Bohrloch, in das er stürzte, illegal ausgehoben wurde. Die Öffentlichkeit verlangt nach Antworten.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Malaga - Unter großer Anteilnahme von Freunden, Nachbarn und Angehörigen ist am Sonntagnachmittag in Málaga der kleine Julen beerdigt worden. Sein Leichnam war am frühen Morgen des Samstags in der Tiefe des Bohrlochs gefunden worden, in das er nach dem Bericht seiner Eltern zwölfeinhalb Tage zuvor gestürzt war. Ein Ermittlungsgericht in Málaga untersucht nun die genauen Umstände seines Todes.

 

Die Suche nach dem zweieinhalbjährigen Jungen hatte die vergangenen Wochen ganz Spanien bewegt, auch deshalb, weil es bis zuletzt vernünftige Zweifel daran gab, ob Julen überhaupt in dem keine 25 Zentimeter breiten Bohrloch gefunden werden würde. Jetzt herrscht traurige Gewissheit: Julen ist tot, wahrscheinlich starb er schon während des Sturzes in mehr als 70 Meter Tiefe am Sonntag vor zwei Wochen. Aber damit sind noch nicht alle Fragen geklärt.

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Rettungsaktion mit vielen Ungewissheiten

Das große Geheimnis der Geschichte um Julen ist, wie er in dem Loch, in das er fiel, zunächst beinahe spurlos verschwinden konnte. Die spanischen Behörden versetzten Berge, nicht nur um das Kind zu finden, sondern um es zu retten: weil niemand die Möglichkeit ausschließen mochte, dass es noch am Leben sei. Julen ist nicht das erste Kind, das in einen Brunnen oder ein sonstiges Loch fiel, doch bei anderen Rettungsaktionen wusste man über den Zustand des Kindes Bescheid. Hier wusste man fast gar nichts.

Noch am selben Tag, als die Eltern vom Sturz ihres Kindes in den Brunnen berichteten, ließ die Feuerwehr eine Kamera in das Bohrloch hinab. In 71 Meter stieß sie auf einen Verschluss aus Sand oder Gestein. Darunter befand sich, wie man heute weiß und damals vermutete, Julen. Dieser Verschluss gibt Laien wie Fachleuten immer noch Rätsel auf. Wobei sich seine Entstehung möglicherweise ganz einfach erklären lässt: Als Julen den engen Schacht hinabrutschte, löste sich Material von den Wänden, das ihn schließlich verschüttete.

Warum gab es überhaupt ein offenes Bohrloch?

Was einige Geologen jedoch an dieser Hypothese zweifeln lässt, ist die Härte des Verschlusses, die es unmöglich machte, das Material von oben abzusaugen. Das hat man gleich zu Beginn des Rettungseinsatzes versucht, kam aber nicht besonders weit. In dem wenigen abgesaugten Material soll ein Haar von Julen gefunden worden sein, was in den ersten Tagen ein Hinweis darauf war, dass der Junge wirklich dort unten steckte. Doch eine allgemein überzeugende Erklärung, wie sich Sand und Gestein in so kurzer Zeit derart verdichteten, dass man von oben nicht zu Julen vorstoßen konnte, fehlt noch.

Die Frage, die das Untersuchungsgericht in Málaga in erster Linie beschäftigen wird, ist die nach der Verantwortung für den Tod des Jungen. Warum gab es auf dem Berggrundstück in der Gemeinde Totalán ein offenes Bohrloch? Der Brunnenbohrer, der dort im Auftrag des Grundstücksbesitzers im Dezember erfolglos nach Wasser gebohrt hatte, versichert, das Loch nach getaner Arbeit anschließend mit einem schweren Stein verschlossen zu haben.

Keine Genehmigung für die Probebohrung

Sein Auftraggeber, ein Verwandter der Eltern Julens, bestreitet das: Das Loch sei nur notdürftig abgedeckt worden. So oder so ist auf dem Grundstück nach der Brunnenbohrung weiter gearbeitet worden, offenbar sollten dort Fundamente für eine Mauer gelegt werden. Im Laufe dieser Arbeiten könnte der Verschluss des Bohrlochs unabsichtlich beiseite gekommen sein.

Nach Informationen der andalusischen Regionalregierung gab es weder für den Probebrunnen noch für den Mauerbau eine Genehmigung. Grundsätzlich hätte auf dem Grundstück nichts gebaut werden dürfen. Leider ist es in vielen ländlichen Gegenden Spaniens Alltag, dass auch ohne Genehmigung nach Wasser gebohrt wird oder manchmal ganze Wohnsiedlungen hochgezogen werden. Die Behörden sehen viel zu oft tatenlos zu. Vor allem die illegale Wasserentnahme über Hunderttausende wilde Brunnen ist ein ernsthaftes, schon lange bekanntes Problem in Spanien. Julens Tod könnte die Verantwortlichen aufrütteln, sich den Brunnenbohrern und ihren Auftraggebern endlich ernsthaft entgegenzustellen.