Weniger Wähler und weniger Mitglieder bedeuten für die SPD auch weniger Einnahmen. Der Schatzmeister sieht die finanzielle Handlungsfähigkeit der Partei in Gefahr. Das hat auch Folgen für den nächsten Wahlkampf.

Berlin - Die neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wollen wieder 30 Prozent der Wählerstimmen erreichen. Das täte der Partei nicht nur politisch gut, sondern auch finanziell. Denn je mehr Stimmen eine Partei bei Wahlen bekommt, desto höher ist auch die staatliche Parteienfinanzierung. Und die Kassenlage der SPD ist bedrohlich, wie Schatzmeister Dietmar Nietan die auf dem Bundesparteitag in Berlin versammelten Genossen warnte: „Die finanzielle Handlungsfähigkeit der SPD ist in Gefahr.“

 

Die SPD hat seit 1998 etwa 10,6 Millionen Wähler verloren, wie Nietan in einem Bericht zu den Parteifinanzen vorrechnet. Gleichzeitig verließen in diesem Zeitraum rund 312.000 Mitglieder die SPD. „Die Mitgliedsbeiträge und die staatlichen Mittel je gewonnener Wählerstimme sind aber mit Abstand die beiden größten Einnahmepositionen unserer Partei!“

Auf dem Parteitag redete der Schatzmeister seiner Partei deswegen ins Gewissen: „Wir müssen jetzt endlich kapieren, dass wir uns nicht den Apparat und die Ausgaben einer 40-Prozent-Partei leisten können, wenn wir jetzt schon seit 20 Jahren auf dem Weg zu einer 20-Prozent-Partei sind.“ Mit anderen Worten: Die SPD lebt über ihre Verhältnisse.

1,7 Millionen Euro für den Parteitag

Seit der Bundestagswahl 2017 musste die SPD zudem kostspielige Veranstaltungen wie Sonderparteitage und Mitgliederbefragungen stemmen. „Wir sind eine Partei, die – wie keine andere – ihre Mitglieder stärker denn je beteiligt“, schreibt Nietan in seinem Bericht. „Allerdings haben uns die vielen außerordentlichen Parteitage, Mitgliedervoten, Debattencamps und Regionalkonferenzen in den letzten zweieinhalb Jahren mehrere Millionen Euro gekostet.“ Das Basisvotum zum Vorsitz und die Regionalkonferenzen rissen ein Loch von etwa 1,9 Millionen Euro in die Parteikasse. Für den dreitägigen Parteitag in Berlin musste die SPD 1,7 Millionen Euro aufbringen.

Um die hohen Kosten einzufangen, sollten auf dem Parteitag mehrere Einschnitte beschlossen werden. Statt sechs stellvertretenden Vorsitzenden sollte es in Zukunft nur noch drei Vizes geben. Die Anzahl der Mitglieder im Parteivorstand sollte von 45 auf 34 sinken. Statt 600 Delegierten sollten an den Parteitagen künftig nur noch 450 teilnehmen. Weniger Delegierte bedeuten etwa kleinere Hallen, geringere Kosten für Anfahrt, Unterbringung und Verpflegung.

Doch die große Reform scheiterte. Schon am Morgen des ersten Tages wurde des lieben Friedens willen beschlossen, dass es künftig doch nicht nur drei stellvertretende Vorsitzende geben soll, sondern fünf. So verhinderte die Parteispitze eine Kampfabstimmung zwischen Arbeitsminister Hubertus Heil und Juso-Chef Kevin Kühnert. Immerhin wurde die Anzahl der Mitglieder im Parteivorstand verringert. Als es um die Frage ging, die Teilnehmer künftiger Parteitage zu reduzieren, rebellierten die Delegierten und stimmten nicht zu.

Klingbeil wirbt für Reformen

Generalsekretär Lars Klingbeil hatte zuvor noch einmal auf der Bühne intensiv für die Reformen geworben. Das Geld solle lieber für viele kleine Veranstaltungen an der Basis in ganz Deutschland ausgegeben werden. „Wir denken uns solche Vorschläge nicht aus, weil wir den Mitgliedern irgendwelche Rechte entziehen wollen. Oder weil wir keinen Bock auf Bundesparteitage haben, wo 600 Delegierte sind“, sagte Klingbeil. „Wir überlegen uns solche Sachen, weil wir die finanzielle Situation der Partei kennen. Und weil wir sagen, wir wollen gerüstet in den nächsten Bundestagswahlkampf gehen.“

Die neuen Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans müssen sich allerdings darauf einstellen, dass die Partei dann deutlicher weniger Geld einsetzen kann. Für den Bundestagswahlkampf 2017 gab die SPD im Vorjahr bereits zwei Millionen Euro aus, im Wahljahr kamen noch einmal 25,5 Millionen Euro hinzu. Nietan warnt in seinem Finanzbericht: „Aufgrund der finanziellen Situation wird das Budget für die anstehende Bundestagswahl in 2021 deutlich geringer ausfallen müssen.“