Baden-Württemberg will helfen, die afghanischen Ortskräfte in Sicherheit zu bringen. Ministerpräsident Kretschmann sieht sie in höchster Gefahr. Auch der Landesinnenminister Thomas Strobl äußert sich zur Lage.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart -

 

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigt sich erschüttert von der Entwicklung in Afghanistan und hat die Bereitschaft signalisiert, hilfesuchende Menschen vom Hindukusch und vor allem die ehemaligen Ortskräfte der Bundeswehr in Baden-Württemberg aufzunehmen.

„Die Bilder aus Afghanistan sind erschütternd“, erklärte Kretschmann auf Anfrage unserer Zeitung. „Die Bundesregierung muss jetzt schnellstmöglich ein schlüssiges Konzept für ein Krisenmanagement umsetzen, um die Botschaftsangehörigen, deren Familien und die Ortskräfte sicher und unbürokratisch aus Afghanistan auszufliegen“, mahnte der Regierungschef. Das Land Baden-Württemberg stehe selbstverständlich zur Unterstützung bereit „und wird Menschen aus Afghanistan aufnehmen“. Dabei haben laut Kretschmann aktuell die bisherigen Helfer der Bundeswehr Vorrang vor der Unterstützung von Kriegsflüchtlingen.

Bund-Länder-Gespräche zur Flüchtlingshilfe

„Gerade Ortskräfte, die in den vergangenen Jahren die Bundeswehr und Hilfsorganisationen unterstützt und sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, befinden sich durch die Machtübernahme der Taliban in höchster Gefahr“, betonte er und forderte den Bund auf, schnellstmöglich das Gespräch mit den Ländern zu suchen, um Unterstützung zu mobilisieren.

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„Es scheint mir zwingend, dass wir schnell in Bund-Länder-Gespräche einsteigen, um die Hilfe bestmöglich zu koordinieren und uns gemeinsam auf die auf uns zukommenden Herausforderungen vorzubereiten.“

Grün-Schwarz räumt Bundeswehrhelfern Vorrang ein

Innenminister Thomas Strobl (CDU) vertrat in seiner Rolle als Vize-Bundesparteichef in Berlin die gleiche Linie. Jetzt gelte es, jene Frauen und Männer aus Afghanistan herauszuholen, die die deutschen Soldaten in den vergangenen Jahren unterstützt hätten. „Da zählt wirklich jede Stunde“, betonte Strobl. Wir dürfen diese Menschen, die in Todesgefahr sind, jetzt nicht alleine lassen.“

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Davon zu trennen ist nach Auffassung Strobls, dass in Deutschland nicht alle Probleme gelöst werden könnten, die in Afghanistan nun entstünden. Strobl plädierte dafür, dass Europa und die internationale Staatengemeinschaft jetzt rasch Afghanistans Nachbarländer bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen unterstützen, damit etwa Pakistan oder Iran, Afghanen, die vor dem Terror der Taliban flüchten, aufnehmen können. Notwendig sei, dass die Geflüchteten in diesen Ländern eine Perspektive sehen könnten. „2015 darf sich nicht wiederholen“, sagte der CDU-Politiker im Blick auf die Krise, die der damalige Flüchtlingsstrom nach Europa und Deutschland hier ausgelöst hat. „Wir haben unsere Lektion gelernt.“

CDU hat Angst vor Wiederholung der Flüchtlingskrise 2015

Damit liegt Baden-Württembergs Innenminister auf einer Linie mit dem Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet, mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU). „Wir werden die Frage Afghanistan nicht durch Migration nach Deutschland lösen können“, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak in einem Fernsehinterview. „Die Staatengemeinschaft muss jetzt alles dafür tun, die Nachbarländer in die Lage zu versetzen, Schutzbedürftige aufzunehmen und eine humanitäre Versorgung aufzubauen“, erklärte Annette Widmann-Mauz. Vor allem „dürfen die Frauen und Mädchen nicht vergessen werden“, forderte sie. Laschet twitterte, dass die EU Afghanistans Nachbarn helfen müsse, damit „die Hilfe dort Priorität hat“.

Dagegen hat sich der SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich dafür stark gemacht, dass die Nato über die Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen berät. „Das ist ja nicht alleine eine militärische Organisation, sondern eine politische“, sagte er in einem Radiointerview. „Vielleicht ist die Durchsetzungskraft hier viel höher international stärker zusammenzuarbeiten, damit genügend Flüchtlinge in ganz vielen Ländern auch aufgenommen werden.“