Was für ein Schlussspurt! Der SC Freiburg dreht in Köln die Partie nach 0:3-Rückstand und feiert einen wichtigen Sieg im Abstiegskampf. Das entscheidende Tor fällt erst in der fünften Minute der Nachspielzeit. Für den 1. FC Köln läuft derzeit alles schief.

Köln - Fassungslosigkeit, Schockstarre, Wut: Nach einer denkwürdigen 3:4-Niederlage gegen den SC Freiburg scheint der Abstieg des 1. FC Köln zwei Spieltage vor der Winterpause fast schon besiegelt zu sein. Selbst eine 3:0-Führung gegen den bis dahin Vorletzten aus dem Breisgau reichte dem Schlusslicht der Fußball-Bundesliga am 15. Spieltag nicht zum ersten Saisonsieg. Der Glaube an ein Wunder ist auf den Nullpunkt gesunken.

 

„Ich habe keine Worte mehr. Das ist die Krönung. Schlimmer geht es nicht mehr“, sagte der fassungslose Abwehrspieler Dominique Heintz. Sein Kollege Jannes Horn sagte: „Unfassbar, was da heute passiert ist. In der Kabine hat niemand ein Wort gesprochen.“ Derweil ließen draußen die Fans ihrem Frust freien Lauf und forderten noch lange nach dem Schlusspfiff lautstark „Vorstand raus“.

Präsident Werner Spinner und seine Stellvertreter Toni Schumacher und Markus Ritterbach wandten sich anschließend in einem Offenen Brief an die Fans. Dabei gestanden sie eigene Fehler ein, stellten aber zugleich auch den geschiedenen Jörg Schmadtke (Sport-Geschäftsführer) und Peter Stöger (Trainer) kein gutes Zeugnis aus. Trotz eigener Fehler schloss das Vorstands-Trio einen eigenen Rücktritt indes aus.

Matchwinner Petersen: „Keiner hat mehr einen Pfifferling auf uns gesetzt“

Dabei schien das völlig verrückte Spiel mit unzähligen Kuriositäten und Slapstick-Einlagen prädestiniert dafür, die Wende für den FC einzuleiten. Nach heftigen Schneefällen war die Partie mit einer halben Stunde Verspätung angepfiffen worden. Die Freiburger hatten mächtig Probleme mit den Platz- und Witterungsverhältnissen. Der FC nutzte dies zu Treffern des überraschend im Sturm aufgebotenen Rechtsverteidigers Lukas Klünter (8.) und Sehrou Guirassy (16., Foulelfmeter).

Als dem Freiburger Caleb Stanko (29.) ein Eigentor unterlief, schien das Spiel gelaufen. Nach den Treffern von Nils Petersen (39.) und Jannik Haberer (65.) fuhr den FC-Spielern die Angst in die Glieder, zwei Elfmeter von Petersen in der 90. Minute und der 5. Minute der Nachspielzeit besiegelten den nicht mehr für möglich gehaltenen Freiburger Sieg.

„Alle haben gedacht, das Derby Dortmund gegen Schalke (Anmerkung: 4:4 nach 4:0-Führung für den BVB) wäre legendär. Aber das war auch nicht schlecht“, sagte Matchwinner Petersen: „Keiner hat mehr einen Pfifferling auf uns gesetzt. Auch wir nicht. Aber dann haben wir eine Leck-mich-am-Arsch-Mentalität reingeworfen.“

Trainer Christian Streich wirkte dagegen nicht so, als habe sein Team soeben einen denkwürdigen Sieg errungen. „Es ist ja auch kurz nach dem Spiel und vor einer Stunde haben wir noch 0:3 in Köln zurückgelegen“, erklärte er seinen Missmut bei „Eurosport“. Später sagte er: „Ich habe nicht mehr viel Kraft, mich zu freuen. Aber ich bewundere, welche Frustrations-Toleranz die Spieler haben. Offenbar eine höhere als ich.“

Auf den Relegationsplatz haben die Kölner bereits zwölf Punkte Rückstand

Wie hoch die Frustrations-Toleranz des FC ist, wird sich am Mittwoch im denkbar schwersten Auswärtsspiel bei Tabellenführer Bayern München zeigen. Auf den Relegationsplatz haben die Kölner seit Sonntag bereits zwölf Punkte Rückstand. Der Klassenverbleib erscheint utopisch, der neue Sportchef Armin Veh startet bei seinem Amtsantritt am Montag offenbar eine Mission Impossible.

Der Trainerwechsel vom am Sonntag in Dortmund vorgestellten Stöger zu Stefan Ruthenbeck hat jedenfalls keine spürbaren Verbesserungen bewirkt. „Die Jungs sind brutal niedergeschlagen“, sagte der gebürtige Kölner Ruthenbeck nach seinem Liga-Debüt als Chef der Profi-Mannschaft: „Wir haben vieles gut gemacht, aber wir haben auch vieles selbst verschuldet. Und im Moment läuft auch einfach alles gegen uns.“

Außer beim 2:0: Nachdem Schiedsrichter Robert Kampka auf Elfmeter für den FC entschieden hatte, war unter dem Schnee kein Elfmeterpunkt zu finden. Also schritt Kampka wie in einem Jugendspiel von der Torlinie elf Meter ab - wie „Eurosport“ nachmaß, waren es aber nur 10,50 Meter.