Ralf Husmann – der Erfinder von „Stromberg“ – gilt als einer der witzigsten Drehbuchautoren Deutschlands. Jetzt hat ihn die ARD engagiert – unter anderem für die Satire „Vorsicht vor Leuten“.

Stuttgart - Er ist der Typ Mann, der Phantomzeichner zur Verzweiflung treiben würde. Ein Weder-Noch-Gesicht, das man in der U-Bahn schnell wieder vergessen würde. Besondere Kennzeichen? Keine. Es sei denn, man bleibt an der großen Nase hängen oder dem Loriotschen Seitenscheitel, von dem er sagt, er habe ihn sich nicht ausgesucht. Er sei damit zur Welt gekommen.

 

Wäre Ralf Husmann ein Kleidungsstück, wäre er eine Tchibo-Jacke. Man darf das ruhig laut sagen. Husmann, fünfzig Jahre alt, kokettiert selber mit dieser Manfred-Mustermann-Haftigkeit. Er hat sie zu seinem Markenzeichen gemacht. Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht. Und Husmann gilt als einer der witzigsten Drehbuchautoren Deutschlands. Er ist der Mann, der „Stromberg“ (Christoph Maria Herbst) erfand, jenen Albtraum eines Vorgesetzten. Und er hat den genial-verpeilten „Dr. Psycho“ (Christian Ulmen) und den „Kleinen Mann“ (Bjarne Mädel) kreiert.

Ein echter Husmann-Satz ist gestochen scharf

Seine TV-Helden sind Antihelden. Launenhafte Diven, die zwischen Hybris und Minderwertigkeitskomplexzerrissen sind. Arme Würstchen, aber auf ihre Weise liebenswert. Zwar verkörpern sie sämtliche Klischees, die man Männern gerne andichtet, aber Husmann hat diese Klischees ironisch gebrochen. Daran muss man denken, wenn man ihm jetzt gegenübersitzt. Ein Café in Berlin-Kreuzberg. Beinahe hätte man ihn übersehen, in seinem grauen Hemd und der Strickjacke. Er ist aus Köln nach Berlin zur Eröffnung der Berlinale gekommen. Er nuschelt was von seiner Kollegin Anke Engelke, ihrer Eröffnungsrede und von drei Gags, die er darin untergebracht hat. Selber stand er nicht im Rampenlicht; sein Platz war im Publikum. Es ist das Los der Gagschreiber: Er versorgt die Stars des deutschen Humors mit Pointen. Mit Sätzen, die so gestochen scharf sind, dass Insider schon an diesen immer leicht lakonischen Sound erkennen, das das ein echter Husmann ist. Den Applaus kassieren andere. Ach, sagt er, wenn man ihn darauf anspricht. So ist das auch mit seinen Figuren. Die sind schillernder als er, vor allem Stromberg. Eine Figur, von der sagt, sie stünde ihm vielleicht noch ein bisschen näher als die anderen. Arrogant, aber unbeholfen – und unfähig, über Gefühle zu reden, vor allem im Umgang mit Frauen. Er sagt: „Christoph und ich haben uns darauf geeinigt: 78 Prozent sind von mir – den Rest gibt er dazu.“

Aber der Stromberg ist Geschichte, nach fünf Staffeln, einem Kinofilm und allen wichtigen Fernsehpreisen, die er gewonnen hat. Mit Strombergs Geburt hatte alles begonnen, das war Ende derNeunziger. Husmann tingelte als Kabarettist durch die Provinz; nebenher drehte er lustige Spots fürs Privatfernsehen. So wurde die Firma Brainpool auf ihn aufmerksam und er wurde Autor für Harald Schmidt. Für ihn ein Schlüsselerlebnis. Schmidt habe seine Gags einfach besser verkauft, als er es selber hätte je gekonnt hätte. Und spätestens da habe er sich eingestehen müssen: „Ich bin einfach kein guter Schauspieler und Entertainer.“

Husmanns Helden in Zukunft häufiger im Ersten

Für das Fernsehen war Husmann in Glücksgriff. Inzwischen eilt ihm der Ruf voraus, er sei einer der wenigen Drehbuchautoren, dem man zutraue, eine Sitcom zu entwickeln, die auch in den USA wettbewerbsfähig wäre. Den heimlichen King of Comedy nennt man ihn. Oder einen „Meister des Erbärmlichen“. Das ist als Kompliment zu verstehen. Er sagt, er liebe diese Momente, in denen das Leben großartig sein wolle, aber dann doch nur wieder mickrig gerate. Er hat sie selber oft genug erlebt. In der neuen ARD-Komödie „Vorsicht vor Leuten“)lotet er die Grenze zur Fremdscham wieder so souverän aus, wie das nur einer kann, der selber aus einfachen Verhältnissen kommt, wie er selber gerne betont, als Sohn eines Hilfsarbeiters in einer Schnapsfabrik. „Man war von Schnaps umgeben, quasi“, sagt Husmann. Humor war sein Ausweg: Er brauche keine Therapie, sondern verwurste seine Erfahrungen lieber literarisch. Das sei das Tolle an seinem Job: „Egal was passiert, auch wenn es Scheiße ist, es wird am Ende immer eine Geschichte daraus.“

„Vorsicht vor Leuten“ ist die Verfilmung seines zweiten Romans, die Geschichte von Lorenz Brahmkamp (Charly Hübner), einem Lügner und Loser. Seine Frau hat ihn verlassen, sein Stuhl in der Verwaltung einer Kleinstadt wackelt, da setzt ihn sein Chef auf den Selfmade-Millionär Alexander Schönleben (Michael Maertens) an. Der will den Ort mit einem Megapark samt Golfanlage aufpimpen, Brahmkamp soll ihm auf die Finger schauen. Zu spät erkennt der, dass er es mit einem Hochstapler zu tun hat. Doch irgendwie mag er den Mann und auch die Welt der Reichen und Schönen. Also den Mann auffliegen lassen und alles wieder verlieren? Oder das Spiel mitspielen? Der Autor hat sich für ein Weder-Noch-Ende entschieden. Typisch Husmann. Einen Anti-Böll, so nennt er sich selbst. „Heinrich Böll hat immer gesagt, die kleinen Leute sind die Guten. Ich finde, man ist nicht automatisch der Gute, weil man weniger Chancen hat, was falsch zu machen.“ In Zukunft wird man seine Helden noch häufiger im Ersten sehen. In Zeiten, da die privaten Sender kaum noch in Fiction investieren, sind ARD und ZDF eine sichere Bank. Den Pilotfilm für eine Sitcom hat er schon gedreht. Im Augenblick schreibt er das Drehbuch für seinen ersten „Tatort“. Dresden bekommt ein neues Ermittlerteam, drei Kommissarinnen – Husmann liefert ihnen den Stoff. Er sagt, der MDR habe schnell eingesehen, dass es mit ihm weder Flüchtlingscontainer mit Kindern noch Zwangsprostituierte geben werde.

Vielleicht ist das sein Erfolgsrezept. Das Weder-Noch-Prinzip. Es lässt Interpretationsspielraum und setzt beim Zuschauer einen Sinn für einen Humor voraus, der eher anglo-amerikanisch ist, weil er nicht mit dem „Vorsicht, jetzt wird‘s lustig“-Schild um die Ecke kommt. Husmann sagt das in einem Tonfall, in dem seine Helden sonst laut über ihre Lieblingsbiersorte nachdenken. Immer dicht am Alltag dran – und doch weit weg. Der Mann ist nicht zu fassen.