In diesem Jahr hat Wendelin Niedlich seinen neunzigsten Geburtstag gefeiert. Die Literaturwissenschaftlerin und Kuratorin Heike Gfrereis widmet im Literaturhaus dem legendären Stuttgarter Buchhändler eine Ausstellung.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Heike Gfrereis, die langjährige, derzeit freigestellte Leiterin der Marbacher Literaturmuseen, nähert sich dem Kosmos Wendelin Niedlichs. Sein Buchladen in der Schmalen Straße war zwischen 1960 bis 1998 weit über Stuttgart hinaus ein Mittelpunkt des literarischen Lebens.

 
Frau Gfrereis, haben Sie eigene Erinnerungen an Wendelin Niedlich?
Ja, an den grimmigen Theaterbuchhändler, der vor einer Welt stand, die mir als Schülerin absolut begehrenswert schien, und an den bedingungslosen Leser, der die schüchterne Studentin verhörte, bevor sie überhaupt ein Buch kaufen durfte, und ihr damit sehr deutlich machte: Kultur als Lebensform ist Lebensrisiko. Man sollte sich gut überlegen, ob man sich da hinein begeben will.
Wie nähert man sich diesem Gespinst aus Realität und Legende?
Mit einer Methode, die man bei Niedlich im Laden ideal üben konnte und die vielleicht die einzige ist, mit der man überhaupt über sich hinaus und weiter kommt: Man kann nicht suchen, man muss finden.
Was gibt es in der Ausstellung zu sehen?
Natürlich viel. Viele (fotografierte) Bücher, viele Bilder, viele Leser, viele Schriftsteller, viele Texte, viele Zeichen. Alle aus Wendelin Niedlichs Buchladen. Das Eindrückliche daran: Die Literatur, die in ihrem Kern still, privat und scheu, vielleicht sogar immer ein wenig heimlich ist, wird in diesen Zeugnissen auf sehr fragile Weise öffentlich. Sie ist für Autoren wie Leser peinlich, quälend, verletzend, albern, ordinär, ruppig, renitent, laut und oft auch an der Grenze zur Sprachlosigkeit. Ganz Spiel, aber mit einem in der Not durchaus tödlichen Ernst.

Ausstellungseröffnung, Film und Gespräch am Mittwoch 20.12. 19.30 Uhr mit Hannelore Schlaffer, Friedrich Schirmer und Jan Peter Tripp, Moderation: Heike Gfrereis