Ein Trio aus Waiblingen muss sich wegen hinterzogener Abgaben verantworten. Zwei Jahre lang wurden offenbar keine Sozialabgaben für bulgarische Leiharbeiter gezahlt.

Waiblingen - Wir verhandeln hier am Landgericht, weil die Staatsanwaltschaft eine gewisse Vorstellung von der Strafhöhe hat.“ Einige Dinge hat der Vorsitzende Richter der 13. Großen Wirtschaftskammer gleich zu Beginn des Prozesses um vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge, Schwarzarbeit und ungleiche Niedriglohnzahlungen klargestellt. Unter anderem, dass es knapp werden könnte mit Bewährungsstrafen und für das Urteil Geständnisse und die Klärung der Frage des Schadenausgleichs durchaus entscheidende Faktoren sein dürften.

 

In dem Prozess, der am Landgericht am Montag begonnen hat, geht es um eine große Zahl bulgarischer Arbeitskräfte, die eine inzwischen insolvente Firma mit Sitz in Stuttgart und später in Waiblingen in den Jahren 2011 bis 2013 beschäftigt haben soll. Die Anklage gegen die drei Waiblinger Geschäftsführer beziehungsweise Betriebsleiter im Alter zwischen 49 und 55 Jahren: Zwischen Juli 2011 und September 2013 seien für die ohne Arbeitserlaubnis beschäftigten Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt rund 734 000 Euro nicht bezahlt worden.

Werksverträge zur Verschleierung

Das Unternehmen hatte zum einen mehrere Gastronomiebetriebe in Stuttgart und Esslingen geführt und zum anderen in Waiblingen Teile für die Automobilindustrie montiert und bearbeitet. Von sechs verschiedenen bulgarischen Firmen habe sich der Betrieb im fraglichen Zeitraum von gut zwei Jahren insgesamt 307 Arbeitnehmer zur Verfügung stellen lassen, die – alles ist offenbar genauestens dokumentiert – genau 222 160,2 Stunden für das hiesige Unternehmen gearbeitet haben: in Zusammenarbeit und auf Weisung der deutschen Kollegen, aber zu einem auffallend ungleichen Lohn von nur vier Euro je Stunde und ohne Sozialversicherung. Schwarzarbeit in großem Maßstab nennt das die Staatsanwaltschaft, denn jene Werksverträge, die jeweils mit den bulgarischen Firmen abgeschlossen wurden, erfüllten eine reine Alibifunktion für die tatsächliche Arbeitnehmerüberlassung.

Zu dem Vorwurf der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, durch die gleich sechs verschiedene Kassen geschädigt wurden, kommt damit auch die Beschäftigung von Personal ohne gültige Arbeitserlaubnis. Wobei die Verantwortung der beiden Geschäftsführer, einem promovierten Diplomingenieur mit deutschem und türkischem Pass sowie einem gelernten Kfz-Mechaniker mit türkischer Staatsbürgerschaft, völlig klar sei, so die Ankläger. Ebenfalls ausschließlich die türkische Staatsbürgerschaft besitzt der einstige Betriebsleiter der Waiblinger Firma. Auch bei ihm deute aber alles darauf hin, dass er „faktisch als Geschäftsführer tätig war“ und eigenverantwortlich Entscheidungen getroffen habe.

Unklarheit über genaue Zahlen

Am ersten Verhandlungstag räumte die Staatsanwaltschaft ein, dass es bei den Zahlen noch deutliche Veränderungen geben könnte. Offenbar gibt es Unstimmigkeiten bei den Berechnungsgrundlagen für die in Rede stehenden Sozialversicherungsbeiträgen. Außerdem habe es bei der Zusammenstellung der Zahlen aus den, jeweils per Monat definierten, insgesamt 51 Tatbeständen schlicht Additionsfehler gegeben. Angenommen wird, dass sich die Schadenshöhe so möglicherweise auf etwa eine halbe Million Euro reduzieren könnte.

In Gesprächen zwischen den Prozessparteien soll nun versucht werden, zu Einigungen zu kommen, die möglicherweise die Verhandlungsdauer verkürzen. Ende der Woche wird der Prozess fortgesetzt.